Entscheidungsstichwort (Thema)
Vor- und Nacherbschaft. Erbscheinerteilungsverfahren: hier: Auslegung eines Testaments. Voraussetzungen und Wirksamkeit einer Nacherbeneinsetzung. Erbschein für Nacherben
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Auslegung einer letztwilligen Verfügung in der der Erblasser „weitere Nacherben” bestimmt, dahingehend, dass damit eine doppelte Nacherbfolge gemeint war und nicht nur Ersatznacherben.
Normenkette
BGB §§ 133, 2081, 2100, 2102 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 22.05.1989; Aktenzeichen 13 T 1967/89) |
AG Nürnberg (Beschluss vom 31.01.1989; Aktenzeichen V 619/66) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Mai 1989 und des Amtsgerichts Nürnberg vom 31. Januar 1989 werden aufgehoben.
II. Das Amtsgericht Nürnberg –Nachlaßgericht– wird angewiesen:
- den am 2. März 1966 bewilligten Erbschein einzuziehen,
- der Beteiligten zu 1 einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß sie auf Grund Testaments vom 8. Juni 1942 den Erblasser seit dem 7. Oktober 1988 allein beerbt hat.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf je 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der damals 74jährige verwitwete Erblasser hatte am 8.6.1942 ein notariell beurkundetes Testament errichtet, das unter Nr. I lautet:
„Zu meinem alleinigen Erben setze ich meinen Sohn … ein; derselbe ist aber verpflichtet an meine Töchter A., B. und C. je 500.– RM –Fünfhundert Reichsmark– aus meinem von mir bei der … Sparkasse … hinterlegten Gelde zu zahlen, falls ich dies nicht schon bei meinem Lebzeiten getan habe. Meine Töchter erhalten diese Beträge als Ersatz für ihre Erb- und Pflichtteilsrechte aus meinem Nachlasse; würden diese damit nicht zufrieden sein, so erhalten sie den ihnen zustehenden Pflichtteil.
Ist mein Sohn … nicht bereit mein Anwesen mit dem Geschäfte fortzuführen, so erhalten dieses Anwesen mit den Grundstücken und dem Geschäfte meine vier Kinder nach gleichen Teilen als Vermächtnis.
Das Erbe meines Sohnes … belaste ich mit einer Nacherbfolge; Nacherben sind die Abkömmlinge meines Sohnes nach Stämmen. Verstirbt einer dieser Abkömmlinge, so sind weitere Nacherben in erster Linie dessen Geschwister nach gleichen Teilen und wenn diese ohne Abkömmlinge versterben in zweiter Linie meine vorgenannten drei Töchter oder deren gesetzliche Erben nach Stämmen.”
Der Erblasser ist … 1943 verstorben. Das Nachlaßgericht hat seinem Sohn am 2.7.1943 einen Alleinerbschein mit Nacherbenvermerk erteilt. Der Sohn des Erblassers ist … 1964 verstorben. Aus der ersten, später geschiedenen Ehe mit der Beteiligten zu 2 ist seine Tochter X. geboren … 1932, hervorgegangen; aus seiner zweiten Ehe die Beteiligte zu 1, geboren … 1949. Das Nachlaßgericht bewilligte auf Antrag der beiden Töchter des Vorerben am 2.3.1966 einen gemeinschaftlichen Erbschein, demzufolge der Erblasser mit dem am 2.9.1964 eingetretenen Nacherbfall von seinen beiden Enkelkindern (X und die Beteiligte zu 1) je zur Hälfte beerbt wurde. Zum ungeteilt gebliebenen Nachlaß gehört ein Grundstück.
Am 7.10.1988 ist X. verstorben, ohne Kinder und ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Einem gemeinschaftlichen Erbschein vom 13.12.1988 zufolge ist sie von ihrer Mutter, der Beteiligten zu 2, und von ihrer Halbschwester, der Beteiligten zu 1, je zur Hälfte beerbt worden.
Die Beteiligte zu 1 hat beim Nachlaßgericht beantragt, den gemeinschaftlichen Erbschein vom 2.3.1966 als unrichtig einzuziehen und einen neuen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß der Erblasser auf Grund des Testaments vom 8.6.1942 und des mit dem Tod des Vorerben eingetretenen Nacherbfalls sowie des mit dem Tod der Nacherbin X. eingetretenen weiteren Nacherbfalls von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden sei. Sie meint, der Erblasser habe eine weitere Nacherbfolge angeordnet und weiterer Nacherbe solle der jeweils überlebende Geschwisterteil sein. Die Beteiligte zu 2 ist diesem Antrag entgegengetreten.
Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 31.1.1989 den Einziehungsantrag zurückgewiesen. Dagegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und beantragt, das Beschwerdegericht solle das Nachlaßgericht anweisen, den Erbschein vom 2.3.1966 einzuziehen und den beantragten neuen Erbschein zu erteilen. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen und angeordnet, daß die Beteiligte zu 1 die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 2 zu erstatten habe. Außerdem hat das Landgericht den Geschäftswert auf 100.000 DM festgesetzt.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgt. Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie erstreckt sich auch auf die Zurückweisung des Antrags, der Beschwerdeführerin einen neuen Erbschein zu erteilen. Zwar hat das Amtsgericht darüber nicht entschieden, sondern nur über die Einziehung...