Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldwäschegesetz. Rechtsbeschwerde. Verfahrensrüge. Sachrüge. Ordnungswidrigkeit. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Vorsatz. Bußgeldbewehrung. Geldwäscherisiko. Terrorismusfinanzierung. Risikoermittlung. Risikoanalyse. Risikobewertung. Dokumentation. Dokumentationspflicht. Befreiung. Erfüllung. nachträglich. Unterlassung. Unrichtigkeit. Steuerberater. freiberuflich. Verpflichteter. Aufsichtsbehörde. Fragebogen. Fragebogeneintragung. Identifizierung. Vertragspartner. Aufklärungspflicht. Tatsachenbehauptung. bestimmt. Beweismittelbenennung. Beweiswürdigung. lückenhaft. Tatbegriff. prozessual. Verfahrenshindernis. Schuldspruchberichtigung. Wiedereinsetzung. Wiedereinsetzungsantrag. Protokoll. Protokollfertigstellung. Wiedereinsetzungsfrist. Rechtsbeschwerdebegründungsfrist. Rechtsantragstelle. Urkundsbeamter. Verschulden. Nachholung. Wiedereinsetzungsbewilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Geldwäschegesetz differenziert auch in der Bußgeldbewehrung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 GwG zwischen der aus § 5 Abs. 1 GwG resultierenden Verpflichtung zur Durchführung einer Risikoanalyse und der Pflicht zur Dokumentation nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 GwG.
2. Der Umstand, dass ein Betroffener eine Dokumentation der Risikoanalyse unterlassen hat, rechtfertigt deshalb schon aufgrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung nicht ohne weiteres den Schluss darauf, dass auch eine Analyse der Risiken tatsächlich unterblieben ist.
Normenkette
GwG § 2 Abs. 1 Nr. 12 Alt. 3, § 5 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 56 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2; StPO § 244 Abs. 2, § 264 Abs. 1, § 265 Abs. 1, § 344 Abs. 1, 2 S. 1, § 345 Abs. 1 S. 1, § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1, § 473 Abs. 1, 4; OWiG § 17 Abs. 3, § 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 6, § 80a Abs. 1; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Nördlingen (Entscheidung vom 24.10.2022) |
Tenor
I.
Dem Betroffenen wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist und auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 24.10.2022 gewährt.
II.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 24.10.2022 aufgehoben, soweit er verurteilt wurde.
III.
Der Betroffene ist schuldig des vorsätzlichen Unterlassens der Dokumentation einer Analyse der Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung.
IV.
Er wird deswegen zu einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro verurteilt.
V.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.
VI.
Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren um 4/5 ermäßigt. Die Staatskasse trägt die Auslagen im Rechtsbeschwerdeverfahren und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu jeweils 4/5.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen, einen Finanzbeamten im Ruhestand, der in geringem Umfang als freiberuflicher Steuerberater tätig ist, mit Urteil vom 24.10.2022 wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 GwG schuldig gesprochen, weil er in seiner Eigenschaft als Steuerberater im Zeitraum von Juli 2017 bis zum 22.11.2020 die Risiken der Geldwäsche und der Terrorfinanzierung nicht ermittelt und nicht bewertet hat, und deswegen gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro verhängt. Im Übrigen hat das Amtsgericht den Betroffenen vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 Nr. 1 GwG wegen unterlassener Identifizierung seiner Vertragspartner aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Der Betroffene wendet sich gegen die Verurteilung mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Zugleich beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur formgerechten Begründung der Rechtsbeschwerde.
II.
Der Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil aufgrund eines Fehlers der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Nördlingen die am 20.12.2022 innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG zu Protokoll erklärte Begründung seines Rechtsmittels formell unwirksam war, was auf ein alleiniges Verschulden des Urkundsbeamten des Amtsgerichts zurückzuführen ist, und der Betroffene am 16.03.2022 nach entsprechendem Hinweis in der Zuleitungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 27.02.2023, die ihm am 15.03.2023 zugestellt wurde, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und eine der Vorschrift des § 344 Abs. 1 und 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG entsprechende Begründung seines Rechtsmittels durch erneute Erklärung zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts Nördlingen nachgeholt hat. Der Umstand, dass der zuständige Rechtspfleger das am 16.03.2023 aufgenommene Protokoll zunächst nicht unter...