Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Betroffene im Verfahren auf Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers bei der Anhörung durch den Amtsrichter keine Angaben gemacht, hat das Beschwerdegericht sorgfältig zu prüfen, ob es eine persönliche Anhörung durchzuführen hat.

2. Zur Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers.

 

Normenkette

FGG § 69g Abs. 5 S. 3; BGB § 1908d Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 16.06.1997; Aktenzeichen 6 T 3265/97)

AG Wolfratshausen (Aktenzeichen XVII 283/96)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts München II vom 16. Juni 1997 wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Am 31.3.1992 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen die Betreuungsstelle beim Landratsamt zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit des Betroffenen und Aufenthaltsbestimmung. Am 10.10.1995 wurde die Betreuung verlängert; als Aufgabenkreise der Betreuerin wurden bestimmt: Aufenthaltsbestimmung einschließlich Wohn- und Heimangelegenheiten und die Gesundheitsfürsorge. Am 3.1.1997 wurde der Aufgabenkreis der Betreuerin erweitert auf Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Vermögenssorge. Die gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 3.1.1997 gerichtete, auf die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin auf die Vermögenssorge beschränkte Beschwerde des Vaters des Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluß vom 16.6.1997 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Vaters.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 69i Abs. 1, § 69g Abs. 1, § 27 Abs. 1 FGG) ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin auf die Vermögenssorge sei erforderlich. Nach dem fachpsychiatrischen Gutachten des Bezirkskrankenhauses vom 23.12.1996 seien aus ärztlicher Sicht die Voraussetzungen gemäß § 1896 Abs. 2 BGB auch für den Aufgabenkreis Vermögenssorge gegeben. Die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen stünden in Übereinstimmung mit dem Antrag der Betreuungsstelle vom 27.11.1996. Der Betroffene habe sich bei seiner Anhörung zwar hierzu nicht geäußert. Die Erweiterung des Aufgabenkreises auf die Vermögenssorge erscheine nach dem bisherigen Gang der Betreuung wie unter den gegebenen Umständen zum Wohl des Betroffenen sachgerecht. In diese Richtung deute zudem auch der Vortrag des Beschwerdeführers, wenn er angebe, er habe bislang für den Betroffenen die Vermögenssorge ausgeübt. Die Einbeziehung der Vermögenssorge in den Aufgabenkreis der Betreuerin erscheine sachgerecht, da diese Aufgabe in engem Zusammenhang mit dem bisherigen Aufgabenkreis stehe und es nach dem bisherigen Gang der Betreuung sinnvoll erscheine, auch diese Aufgabe einem neutralen Betreuer zu übertragen. Im übrigen verweise die Kammer auf den Beschluß des Amtsgerichts vom 2.6.1997. In diesem hat das Amtsgericht ausgeführt, daß die Bestellung des Vaters zum Betreuer dem Wohl des Betroffenen widersprechen würde.

2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Sie ist verfahrensrechtlich und sachlich zu beanstanden.

a) Die Entscheidung ist nicht verfahrensfehlerfrei zustandegekommen. Das Landgericht hat den Betroffenen nicht persönlich angehört. Weshalb dies nicht geschehen ist, läßt sich der Entscheidung nicht hinreichend entnehmen. Nach dem Akteninhalt hätte das Landgericht von einer persönlichen Anhörung nicht absehen dürfen. Der Betroffene wurde zwar am 2.1.1997 von der Amtsrichterin im BKH aufgesucht, er war damals aber zu einer Unterhaltung nicht bereit. Er wurde am 20.5.1997 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Mit Rücksicht auf die geänderte Sachlage wird das Landgericht die persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen haben.

b) Ob die Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht, kann hier offen bleiben, da die Entscheidung jedenfalls materiell fehlerhaft ist.

(1) Der Aufgabenkreis des Betreuers ist zu erweitern, wenn dies erforderlich ist; hierfür gelten die Vorschriften über die Bestellung eines Betreuers entsprechend (§ 1908d Abs. 3 BGB). Voraussetzung der Erweiterung ist danach, daß der Volljährige aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten auch in dem erweiterten Aufgabenkreis ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt auch insoweit voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. z.B. BayObLG Rpfleger 1996, 245; BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; OLG Frankfurt BtPrax 1997, 123 LS; OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919).

Unter Berücksichtigung von § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf der Aufgabenkreis des Betreuers nur auf Bereich...

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