Leitsatz (amtlich)
1. Keine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen, wenn dieser in der Lage ist, einen Teilbereich seines Lebens zu bewältigen.
2. Erfährt der Betroffene die notwendige, nicht mit Freiheitsentziehung verbundene „Führung” durch das Heimpersonal, liegt darin eine „andere Hilfe” im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, die eine Betreuung insoweit erübrigt.
3. Es ist unzulässig, bei Betreuungsbedürftigen, die aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung ihr Wahlrecht nicht ausüben können, der Gefahr von Wahlmanipulationen durch die Anordnung einer Totalbetreuung zu begegnen, ohne daß eine solche Maßnahme nach den allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist.
Normenkette
BGB § 1908d Abs. 3, § 1896 Abs. 2; BWG § 13 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 18.11.1996; Aktenzeichen 3 T 2567/96) |
AG Würzburg (Aktenzeichen XVII 1445/92) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 18. November 1996 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Nachdem die für den Betroffenen angeordnete, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge umfassende Pflegschaft mit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes zu einer Betreuung geworden war, bestellte das Amtsgericht mit Beschluß vom 14.6.1994 die Betreuungsstelle des Landratsamts Würzburg zur neuen Betreuerin.
Diese regte an, ihren Aufgabenkreis um die Sorge für die Gesundheit des Betroffenen zu erweitern und anzuordnen, daß ihr Aufgabenkreis auch die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betroffenen sowie die Entgegennahme, das öffnen und das Anhalten seiner Post erfasse.
Am 27.9.1996 beschloß das Amtsgericht die Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuerin auf die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen einschließlich der Entscheidung über den Fernmeldeverkehr und über die Entgegennahme, das öffnen und das Anhalten der Post. Eine Betreuung des Betroffenen in diesem Umfang sei insbesondere auch deshalb erforderlich, weil amtsbekannt in der Vergangenheit alle wahlberechtigten Bewohner des Heims, in dem der Betroffene untergebracht sei, im Wege der Briefwahl von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hätten. Bei der Festlegung des Aufgabenkreises sei deshalb auch zu würdigen, ob die zu betreuende Person in der Lage sei, ihr Wahlrecht sinnvoll auszuüben.
Auf die Beschwerde der Betreuerin bestimmte das Landgericht am 18.11.1996 unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung als Aufgabenkreise der Betreuerin die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge einschließlich der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, die Regelung der Vermögensangelegenheiten sowie die Entscheidung über die Entgegennahme, das öffnen und das Anhalten der Post.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Verfahrenspfleger des Betroffenen mit der weiteren Beschwerde. Er hält eine Betreuung des Betroffenen in allen Angelegenheiten für erforderlich. Der Betroffene sei krankheitsbedingt in keiner Hinsicht zu eigenverantwortlichen Entscheidungen und Handlungen fähig. Aufgrund der deshalb notwendigen Weisungen des Heimpersonals unterliege er in seiner Lebensführung einer ständigen, in seine Rechtspositionen eingreifenden Fremdbestimmung. Des weiteren ergebe sich die Notwendigkeit einer umfassenden Betreuung aus der logischen Interpretation des § 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWG), wonach diejenigen Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sein sollen, die – wie der Betroffene – aufgrund geistiger Gebrechen nicht wahlfähig seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Betreuerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 27.9.1996 im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen konnte. Die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers „betrifft seinen Aufgabenkreis” im Sinne von § 69g Abs. 2 Satz 1 FGG (vgl. Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 69g FGG Rn. 17; Knittel BtG § 69g FGG Rn. 9; Zimmermann in Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 69g FGG Rn. 11; a.A. wohl Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 69g FGG Rn. 9).
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Aufgabenkreis der Betreuerin sei lediglich auf die Bereiche Gesundheitssorge einschließlich der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und Postverkehr, nicht jedoch auf die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen zu erweitern. Soweit geltend gemacht werde, man müsse den Betroffenen zu allem erst auffordern, z.B. auch dazu, am Morgen aufzustehen und sich zu waschen, begründe dies kein Betreuungsbedürfnis, da der Betroffene in der Anstalt pädagogisch gut zu führen sei, ohne daß irgendwelche Weisungen zwangsweise durchgesetzt werden müßten. Gleiches gelte für die Tätigkeit des Betroffenen in der Behindertenwerkstatt. Auch insoweit sei eine Betreuung nicht erforderlich, um den Betroffenen zur Arbeit anhalten zu können. Vielmehr mache ihm die Arbeit in der Anstaltswerkstatt Spaß und sei er dabei fleißig. In Rechtspositionen des Betroffenen we...