Leitsatz (amtlich)
Bezieht ein Betreuter Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen, hat er sein Vermögen für Betreuungskosten nur insoweit einzusetzen, als es neben dem allgemeinen Schonbetrag von 2.301 Euro auch den nach § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG regelmäßig zu belassenden Betrag von 23.010 Euro übersteigt.
Normenkette
BGB §§ 1836c, 1836d; BSHG § 88 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Schweinfurt (Beschluss vom 26.09.2002; Aktenzeichen 22F T 83/02) |
AG Schweinfurt (Beschluss vom 08.07.2002; Aktenzeichen XVII 315/92) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des LG Schweinfurt vom 26.9.2002 und des AG Schweinfurt vom 8.7.2002 werden aufgehoben.
II. Die Sache wird dem AG Schweinfurt zur Entscheidung über den Antrag des Betreuers auf Bewilligung von Leistungen aus der Staatskasse zurückgegeben.
III. Dem Betroffenen wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt.
IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2.166,76 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Betroffene ist in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen und bezieht Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Für ihn ist ein berufsmäßig tätiger Betreuer bestellt.
Mit Beschluss vom 8.7.2002 bewilligte das AG dem Betreuer auf dessen Antrag für Tätigkeiten in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2001 eine Vergütung i.H.v. 573,64 Euro. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass die Vergütung aus dem Vermögen des Betreuten zu zahlen sei. Darüber hinaus habe der Betreute aus seinem Vermögen für bisher durch die Staatskasse an den Betreuer geleistete Vergütung und Auslagenersatz einen Betrag von 1.593,12 Euro zu erstatten.
Zur Begründung hat das AG ausgeführt: Das Vermögen des Betroffenen von ca. 11.000 Euro übersteige den ihm zuzubilligenden Schonbetrag von 2.301 Euro. Deshalb sei die Vergütung aus dem Vermögen des Betreuten zu bestreiten. Die bisher herangezogene Vermögensfreigrenze von (im Zeitpunkt der letzten Vergütungsbewilligung:) 49.500 DM auf Grund der ihm gewährten Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen sei nicht mehr anzuwenden. Infolge der Neuregelungen durch das SGB IX, vor allem der Änderung des § 43 BSHG zum 1.7.2001, sei die Vorschrift des § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG gegenstandslos geworden, weil die Kosten der Eingliederungshilfe nunmehr ohne Rücksicht auf das Vermögen des Betroffenen vom Sozialhilfeträger zu übernehmen seien.
Die hiergegen namens des Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde des Betreuers hat das LG mit Beschluss vom 26.9.2002 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insb. vom LG zugelassen (§ 69e S. 1, § 56g Abs. 5 S. 2 FGG).
Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht etwa eine im konkreten Fall fehlende Vertretungsbefugnis des Betreuers entgegen.
Die Vorschrift des § 181 BGB ist auf Verfahrenshandlungen nicht anwendbar. Inwieweit im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein allgemeiner Grundsatz zu bejahen ist, dass niemand als Beteiligter oder Beteiligtenvertreter auf beiden Seiten zugleich auftreten darf (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. § 181 Rz. 5; BayObLG NJW 1962, 964), kann dahinstehen. Jedenfalls in Fällen der hier vorliegenden Art ist ein Interessenkonflikt zwischen dem Betreuer und dem Betroffenen, für welchen der Betreuer auftritt, nicht denkbar. Kern des Verfahrens ist die Frage der Mittellosigkeit des Betroffenen. Ziel des Rechtsmittels ist die Abwehr von Ansprüchen gegen den Betroffenen. Der Betreuer erlangt keinen Vorteil auf Kosten des Betreuten, wenn er für ihn die Zahlung aus der Staatskasse durchsetzt.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Zwar werde in der Rspr. zum Teil die Auffassung vertreten, dass einem in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitenden Betreuten ohne weiteres der Vermögensfreibetrag von nunmehr 23.010 Euro gem. § 88 Abs. 3 S. 3 BSHG zukomme, so dass sich zusammen mit dem allen Betreuten zustehenden Schonbetrag von 2.301 Euro insgesamt ein Freibetrag von (richtig) 25.311 Euro ergebe (vgl. LG Dresden v. 19.6.2000 – 2 T 437/00, FamRZ 2001, 712 und LG Chemnitz v. 4.9.2000 – 11 T 2829/99, FamRZ 2001, 1026).
Demgegenüber sei das LG Osnabrück (LG Osnabrück v. 4.12.2000 – 3 T 975/00, FamRZ 2002, 702) der Ansicht, dass der Bezug von Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen für die Berücksichtigung des erhöhten Freibetrags nicht ausreiche, sondern darüber hinaus besondere Umstände vorliegen müssten, wonach der Einsatz des vorhandenen Vermögens eine Härte bedeuten würde. Die Berücksichtigung eines erhöhten Freibetrags allein auf Grund der Aufnahme des Betreuten in eine derartige Werkstatt sei lediglich insoweit gerechtfertigt, als es um den Rückgriff des Sozialhilfeträgers ggü. dem Betreuten gehe; für die Unterbringung in einer Werkstatt für behinderte Menschen fielen besonders hohe Kosten an. Soweit aber die Vermögensgrenze für die Heranziehun...