Leitsatz (amtlich)
Das Rechtshilfeersuchen, den Betroffenen vor Anordnung einer vorläufigen Unterbringung persönlich anzuhören, darf grundsätzlich nicht abgelehnt werden (vgl. BayObLG v. 6.12.1999 - 3Z AR 34/99, BayObLGReport 2000, 30 = MDR 2000, 278 = FamRZ 2000, 1444).
Verfahrensgang
AG Amberg (Beschluss vom 19.02.2004; Aktenzeichen XVII 98/04) |
AG Hersbruck (Aktenzeichen 2 a AR 16/04) |
Tenor
I. Die Verfügung des AG Hersbruck vom 19.2.2004, mit der das Rechtshilfeersuchen des AG Amberg vom 18.2.2004 auf Anhörung der Betroffenen abgelehnt wurde, wird aufgehoben.
II. Das AG Hersbruck ist verpflichtet, das genannte Rechtshilfeersuchen zu erledigen.
Gründe
I. Dem AG Amberg liegt ein Antrag auf (vorläufige) Unterbringung der Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus vor. Die Betroffene ist im Amtsgerichtsbezirk wohnhaft; sie befindet sich derzeit allerdings in einer Klinik, die im Bezirk des AG Hersbruck liegt. Beide AG sind uneinig über die (primäre) Zuständigkeit zur Durchführung des Unterbringungsverfahrens. Das AG Amberg hat neben einem Ersuchen, über die (vorläufige) Unterbringung der Betroffenen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, an das AG Hersbruck hilfsweise auch ein Ersuchen um Rechtshilfe in Form einer persönlichen Anhörung der Betroffenen gerichtet. Das AG Hersbruck hat das AG Amberg darauf verwiesen, als primär zuständiges Gericht selbst tätig zu werden; eine Rechtshilfeanhörung werde "nach Beschluss-Zuleitung" erfolgen. Das AG Amberg hat die Sache hierauf dem BayObLG zur Entscheidung gem. § 159 Abs. 1 S. 1 GVG vorgelegt.
II.1. Das BayObLG ist zur Entscheidung berufen (§ 2 S. 2 FGG; § 159 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GVG; vgl. BayObLGZ 1992, 271).
2. Das ersuchte AG ist verpflichtet, das Rechtshilfeersuchen zu erledigen.
a) Nachdem das AG Hersbruck nicht bereit war, über die Unterbringung der Betroffenen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, war über das Rechtshilfeersuchen des AG Amberg auf persönliche Anhörung der Betroffenen zu befinden. Ein Ersuchen um Rechtshilfe darf grundsätzlich nicht abgelehnt werden (§ 158 Abs. 1 GVG). Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass die vorzunehmende Handlung in dem betreffenden Verfahren nach dem Recht des ersuchten Gerichts generell verboten ist (§ 158 Abs. 2 S. 1 GVG; vgl. BayObLG BayObLGZ 1992, 271 [272]; v. 6.12.1999 - 3Z AR 34/99, BayObLGReport 2000, 30 = MDR 2000, 278 = FamRZ 2000, 1444). Dies trifft hier nicht zu. Gemäß § 70 c S. 1 FGG hat das Gericht vor einer Unterbringungsmaßnahme den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen. Entsprechende Verfahrenshandlungen sollen zwar nicht durch einen ersuchten Richter erfolgen (§ 70c S. 4 FGG). Dies bedeutet jedoch kein gesetzliches Verbot; ein um Durchführung der Anhörung ersuchter Richter darf die Zulässigkeit der Anhörung im Rechtshilfewege nicht prüfen (OLG Frankfurt v. 10.9.2003 - 20 W 312/03, OLGReport Frankfurt 2004, 76 = FamRZ 2004, 137; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 70 c FGG Rz. 4). Vor Erlass einer einstweiligen Anordnung kann eine Anhörung des Betroffenen überdies bereits nach dem Gesetzeswortlaut ohne Einschränkungen auch durch einen ersuchten Richter erfolgen (§ 70 h Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 69 f Abs. 1 S. 2 FGG). Ob das ersuchende Gericht von der Möglichkeit der §§ 70 h Abs. 1 S. 2, 69 f Abs. 1 S. 4 FGG Gebrauch machen möchte und eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen erlässt, unterliegt wiederum ausschließlich der Beurteilung des ersuchenden Richters. Die Zweckmäßigkeit des Verfahrens kann im Rahmen von §§ 158, 159 GVG nicht geprüft werden (BayObLG v. 26.8.1994 - 3Z AR 48/94, FamRZ 1995, 304; v. 21.1.1998 - 3Z AR 2/98, FamRZ 1998, 841).
b) Hiernach bestand im vorliegenden Falle keine gesetzliche Möglichkeit, das Rechtshilfeersuchen auf Anhörung der Betroffenen abzulehnen oder vom vorherigen Erlass einer einstweiligen Anordnung abhängig zu machen. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob ein Rechtshilfeersuchen ausnahmsweise auch dann abgelehnt werden kann, wenn es offensichtlich willkürlich oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist (BayObLG v. 6.12.1999 - 3Z AR 34/99, BayObLGReport 2000, 30 = MDR 2000, 278 = FamRZ 2000, 1444; OLG Frankfurt v. 10.9.2003 - 20 W 312/03, OLGReport Frankfurt 2004, 76 = FamRZ 2004, 137), weil Anhaltspunkte hierfür nicht vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1156580 |
NJOZ 2004, 2918 |
OLGR-MBN 2004, 255 |