Leitsatz (amtlich)
In einer Betreuungssache darf ein Rechtshilfeersuchen um Anhörung des Betroffenen an seinem Zweitwohnsitz nicht als unzweckmäßig abgelehnt werden, z.B. mit der Begründung, das ersuchende Gericht könne den Betroffenen ebensogut zur Anhörung an seinem Hauptwohnsitz vorladen.
Normenkette
GVG §§ 158-159; FGG § 68
Verfahrensgang
AG Amberg (Aktenzeichen XVII 257/05) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen 6a AR 362) |
Tenor
Das AG Nürnberg ist zur Ausführung des Rechtshilfeersuchens des AG Amberg vom 24.6.2005 verpflichtet.
Gründe
I. Das AG A. prüft die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen. Dieser hat nach Mitteilung der Betreuungsbehörde eine Arbeitsstelle in N. und deshalb dort einen Zweitwohnsitz. An seinem Hauptwohnsitz im Bezirk des AG A. halte er sich nur an den Wochenenden auf.
Mit Verfügung vom 24.6.2005 ersuchte der zuständige Richter das AG N. als Rechtshilfegericht um Anhörung des Betroffenen zur Bestellung eines Betreuers. Er bemerkte hierzu, dass das Ergebnis der Anhörung voraussichtlich auch ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen gewürdigt werden könne.
Das AG N. leitete die Akten zurück mit dem Bemerken, dass eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe nicht erforderlich sei. Der Betroffene könne ebenso gut an einem Werktag zur Anhörung vor dem AG A. erscheinen. Er müsse dann zwar Urlaub nehmen; das sei aber auch dann unvermeidbar, wenn ihn das Rechtshilfegericht an seinem Arbeitsort anhören solle. Zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsort bestünden zudem gute und zumutbare öffentliche Verkehrsverbindungen.
Das AG A. hält die Ablehnung des Rechtshilfeersuchens für grundsätzlich unzulässig und bittet um Entscheidung gem. § 159 Abs. 1 S. 1 GVG.
II.1. Das OLG München ist zur Entscheidung des Rechtshilfestreits zuständig (§ 2 S. 2 FGG, § 159 Abs. 1 S. 1 GVG, § 199 Abs. 2 S. 2 FGG, Art. 11a AGGVG). Der Allgemeine Grundsatz, wonach Nebenentscheidungen, soweit höhere Instanzen befasst werden, von den Gerichten getroffen werden sollen, die im Instanzenzug auch zur Entscheidung in der Hauptsache berufen sind (BayObLG v. 12.1.1989 - BReg.3 Z 111/88, BayObLGZ 1989, 1 [3]; BayObLGZ 1992, 271 [272]), ist auch auf Rechtshilfeersuchen anwendbar (BayObLG v. 17.9.1993 - 1Z AR 24/93, FamRZ 1994, 639).
2. Das AG N. hat das Rechtshilfeersuchen vom 24.6.2005 auszuführen.
a) Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit muss ein Gericht, das von einem anderen Gericht um Rechtshilfe ersucht wird, das Ersuchen grundsätzlich ausführen (§ 2 S. 2 FGG, § 158 Abs. 1 GVG). Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass die vorzunehmende Handlung in dem betreffenden Verfahren nach dem Recht des ersuchten Gerichts generell verboten ist (§ 158 Abs. 2 S. 1 GVG; BayObLGZ 1992, 271 [272]; OLG Frankfurt v. 17.2.1995 - 20 W 61/95, FGPrax 1995, 167). Die Vorschrift des § 158 Abs. 2 S. 1 GVG ist als Ausnahmebestimmung zu Abs. 1 eng auszulegen (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 158 GVG Rz. 3). In Rechtsprechung und Schrifttum ist insoweit anerkannt, dass eine Handlung nur dann verboten und dementsprechend ein Rechtshilfeersuchen abzulehnen ist, wenn die von dem ersuchten Gericht vorzunehmende Handlung schlechthin unzulässig ist (BGH v. 31.5.1990 - III ZB 52/89, MDR 1991, 33 = NJW 1990, 2936 = Rpfleger 1990, 408, m.w.N.).
b) Das trifft auf Anhörungen gem. § 68 FGG im Grundsatz nicht zu. Gemäß § 68 Abs. 1 S. 4 FGG ist die vor der Bestellung eines Betreuers gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen auch durch den ersuchten Richter möglich, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das entscheidende Gericht das Ergebnis der Ermittlungen auch ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen zu würdigen vermag. Die dahingehende Beurteilung des ersuchenden Gerichts darf der ersuchte Richter nicht überprüfen (BayObLG v. 6.12.1999 - 3Z AR 34/99, MDR 2000, 278 = BayObLGReport 2000, 30 = FamRZ 2000, 1444, m.w.N.; OLG Frankfurt v. 17.2.1995 - 20 W 61/95, FGPrax 1995, 167; OLG Köln v. 2.5.2003 - 16 Wx 107/03, FamRZ 2004, 818).
c) Einer der eng begrenzten Ausnahmefälle, in denen ein Rechtshilfeersuchen abgelehnt werden darf, liegt hier offensichtlich nicht vor. Insbesondere darf das ersuchte Gericht ein zulässiges Rechtshilfeersuchen nicht mit der Begründung ablehnen, die betreffende Amtshandlung könne ebensogut von dem für das Verfahren zuständigen Gericht vorgenommen werden (BGH v. 31.5.1990 - III ZB 52/89, MDR 1991, 33 = NJW 1990, 2936 = Rpfleger 1990, 408). Eine solche, auf bloße Zweckmäßigkeitserwägungen gestützte, selbständige Prüfungsbefugnis des ersuchten Gerichts wäre mit dem Sinn und Zweck des Rechtshilfeverfahrens nicht vereinbar. Ein Ersuchen kann nur abgelehnt werden, wenn die vorzunehmende Handlung schlechthin unzulässig ist (BGH v. 31.5.1990 - III ZB 52/89, MDR 1991, 33 = NJW 1990, 2936 = Rpfleger 1990, 408; BayObLG v. 17.9.1993 - 1Z AR 24/93, FamRZ 1994, 639).
Fundstellen
Haufe-Index 1411193 |
BtPrax 2005, 199 |