Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. Sachrüge. Berufung. Berufungsbeschränkung. Berufungsgericht. Kognitionspflicht. Wirksamkeit. Schuldspruch. Rechtsfolgenausspruch. Konkurrenzverhältnis. Tateinheit. Tatmehrheit. Idealkonkurrenz. Realkonkurrenz. Rechtskraft. Teilrechtskraft. Unrechtsgehalt. Schuldgehalt. Schuldfeststellung. Strafzumessung. Subsumtionsfehler. Trennbarkeit. Trennbarkeitshindernis. Widerspruch. Rechtsfehlerhafte Annahme der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung wegen erstinstanzlich unzutreffender Wertung des Konkurrenzverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unzutreffende Wertung des Konkurrenzverhältnisses durch das Erstgericht (hier: Tateinheit statt Tatmehrheit) steht wie auch sonstige, selbst offenkundige Subsumtionsfehler der Wirksamkeit einer nach § 318 Satz 1 StPO erklärten Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich nicht entgegen, solange nicht bei richtiger Rechtsanwendung ein Freispruch hätte erfolgen müssen. Geht das Berufungsgericht gleichwohl wegen der seiner Auffassung nach unrichtigen Wertung der Konkurrenzen von der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung aus, setzt es sich rechtsfehlerhaft über die (Teil-) Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils im Schuldspruch mit den ihn tragenden und für das Berufungsgericht bindend gewordenen Feststellungen und damit über die mit den §§ 316 Abs. 1 , 327 StPO angestrebte Beschränkung der Kognitionspflicht hinweg, deren Beachtung das Revisionsgericht auf die zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu prüfen hat (u.a. Anschluss an BGH, Urt. v. 16.06.2016 - 3 StR 124/16 ; 10.03.2016 - 3 StR 347/15 jeweils bei juris; KG, Beschl. v. 26.08.2013 - 161 Ss 129/13 = StV 2014, 78 = OLGSt StPO § 318 Nr 22 und BayObLG, Urt. v. 16.12.1953 - 1 St 615/53 = NJW 1954, 611).

2. In diesem Fall ist das Revisionsgericht nicht gehindert, den ,richtigen Zustand' selbst dadurch wiederherzustellen, dass es den Schuldspruch korrigierend im Sinne des ursprünglichen und rechtskräftigen Schuldspruchs neu fasst (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.07.2017 - 2 Rv 8 Ss 420/17 bei juris).

 

Normenkette

StVG § 21; StPO § 316 Abs. 1, § 318 S. 1, §§ 327, 333, 337 Abs. 1, § 344 Abs. 1, § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 18.10.2019

    1. im Schuldspruch aufgehoben und zugleich dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt ist;
    2. im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufgehoben.
  • II.

    Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

  • III.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten am 29.04.2029 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und ordnete an, dass ihm vor Ablauf einer (isolierten) Sperrfrist von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Seine gegen dieses Urteil eingelegte und mit Verteidigerschreiben vom 22.07.2019 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung hat das Landgericht mit Urteil vom 18.10.2019 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Urkundenfälschung schuldig ist und deswegen neben der Anordnung einer isolierten Sperrfrist von einem Jahr zu einer (aus Einzelfreiheitsstrafen von drei und fünf Monaten gebildeten) Gesamt freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er - jeweils unausgeführt - mit der Rüge der "Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts" begründet.

II.

Die Nachprüfung aufgrund der statthaften ( § 333 StPO ) sowie form- und fristgerecht eingelegten Revision führt auf die Sachrüge hin zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Korrektur des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs des angefochtenen Berufungsurteils, weil das Landgericht zu Unrecht von der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen und sich damit rechtsfehlerhaft über die (Teil-) Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils im Schuldspruch hinweggesetzt hat; im Übrigen ist die Revision unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO .

1. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in Ihrer Antragsschrift vom 03.01.2020 zutreffend darlegt, durfte das Landgericht nicht allein wegen der seiner Auffassung nach unrichtigen Annahme tateinheitlicher statt tatmehrheitlicher Verwirklichung von der Unwirksamkeit der nach § 318 Satz 1 StPO erklärten Berufungsbeschränkung ausgehen und damit die mit dieser nach den §§ 316 Abs. 1 , 327 StPO angestrebte Beschränkung der Kognitionspflicht des Berufungsgerichts umgehen, deren Beachtung das Revisionsgericht auf die hier erhobene zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu würdigen...

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