Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bestellung einer Gegenbetreuerin ist die persönliche Anhörung der Betroffenen in der Regel nicht erforderlich. Bestehen aber Zweifel, ob der Vorschlag der Betroffenen, eine bestimmte Person zu bestellen, dem wirklichen willen der Betroffenen entspricht, so kann die persönliche Anhörung der Betroffenen geboten sein.

2. Bestehen solche Zweifel, muß das Beschwerdegericht diese Anhörung wiederholen, wenn das Erstgericht nach Anhörung der Betroffenen deren Wünschen nicht entsprochen hat und das Beschwerdegericht anders entscheiden will.

 

Normenkette

BGB §§ 1792, 1897, 1908c, 1908i; FGG §§ 12, 68, 69g

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 13 T 16848/00)

AG München (Aktenzeichen 701 XVII 262/93)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Betreuerin zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 27. November 2000 insoweit aufgehoben, als das Landgericht den Betreuer zu 2 zum Gegenbetreuer bestellt hat.

II. Auf die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 16. November 2000 insoweit aufgehoben, als das Landgericht die Betreuerin zu 3 als Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung bestellt hat.

III. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

IV. Im übrigen werden die weiteren Beschwerden verworfen.

 

Gründe

I.

Die sehr vermögende Betroffene leidet an einer psychischen Erkrankung mit katatonischer Symptomatik. Sie wird in einem für sie erworbenen Haus aufgrund eines Pflegevertrages gegen erhebliches Entgelt von einer Pflegerin in deren Familie umfassend versorgt.

Mit Beschluß vom 16.9.1993 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene deren Mutter (Betreuerin zu 1) als Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögens sorge sowie den Beteiligten zu 2 zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Zuführung zur ärztlichen Behandlung, Regelung aller therapeutischen Maßnahmen und deren Abrechnung bzw. Kontrolle und Bezahlung. Als Zeitpunkt, zu dem spätestens über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden sein sollte, bestimmte es den 15.9.1998. Am 4.8.2000 bestellte das Amtsgericht wiederum die Mutter der Betroffenen zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögens sorge und als Gegenbetreuer für diesen Aufgabenkreis den Beteiligten zu 1. Zu weiteren Betreuern wurden die Beteiligten zu 1 und 2, jeweils für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen, bestellt.

Auf die Beschwerde, mit der sich die Betroffene gegen die Auswahl des Beteiligten zu 1 als Gegenbetreuer sowie die Auswahl der Beteiligten zu 1 und 2 als Betreuer wandte, hat das Landgericht die Bestellung des Beteiligten zu 1 zum Gegenbetreuer und die Bestellung der Beteiligten zu 1 und 2 zu Betreuern aufgehoben. Zum Gegenbetreuer für den Aufgabenkreis Vermögens sorge hat es den Betreuer zu 1, als Betreuerin für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen die Betreuerin zu 3 bestellt.

Dagegen wenden sich die Betreuerin zu 1 mit dem Antrag, die Anordnung der Gegenbetreuung aufzuheben, hilfsweise die Bestellung des Beteiligten zu 1 als Gegenbetreuer wiederherzustellen, und der Beteiligte zu 2 mit dem Antrag, die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben, ihn selbst als Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Abrechnung der hier bestimmten Maßnahmen zu bestellen, die Gegenbetreuung aufzuheben und für den Bereich der Vermögens sorge einen Einwilligungsvorbehalt für Rechtsgeschäfte ab 3 000 DM anzuordnen.

II.

1. Die weitere Beschwerde der Betreuerin zu 1 ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Anordnung der Gegenbetreuung wendet. Mit ihrer Beschwerde hatte die Betroffene nicht die Anordnung der Gegenbetreuung, sondern lediglich die Auswahlentscheidung des Vormundschaftsgerichts angegriffen. Dies war zulässig (BayObLGZ 1995, 220). Das Landgericht hat deshalb – zu Recht – lediglich über die Auswahl des Gegenbetreuers entschieden. Da somit eine Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Anordnung der Gegenbetreuung nicht vorliegt, ist die weitere Beschwerde nicht statthaft (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 8).

Die weitere Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung ist statthaft. Die Beschwerdeberechtigung folgt aus § 29 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 FGG (Bienwald Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1896 Rn. 275). Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, daß die Betreuerin zu 1 gegen die Entscheidung des Erstgerichts keine Beschwerde eingelegt hat (BayObLG FamRZ 1990, 563; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 8).

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist zulässig, soweit er sich gegen die Bestellung der Betreuerin zu 3 an seiner Statt wendet. Im übrigen ist sie unzulässig, da der Beteiligte zu 2 durch die Bestellung eines Gegenbetreuers nicht in seinen Rechten (§ 20 Abs. 1 FGG) beeinträchtigt ist bzw. soweit die Anordnung eines Einwilligungsvorb...

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