Leitsatz (amtlich)

Hat das nach § 65 Abs. 5 Satz 1 FGG zuständige Eilgericht seine durch die Dringlichkeit des Falles gebotene Aufgabe erfüllt, hat es den Vorgang an das allgemein zuständige Gericht zu übersenden. Dieses ist verpflichtet, das Verfahren fortzuführen. Für ein Abgabeverfahren nach § 65a, § 46 FGG ist kein Raum. Eine Anhörung des Betroffenen oder die Zustimmung des Betreuers ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

FGG §§ 5, 65 Abs. 1, 5 S. 1, §§ 69f, 65a, 46

 

Verfahrensgang

AG Landsberg a. Lech (Aktenzeichen 3 AR 34/96)

AG Günzburg (Aktenzeichen 2 XVII 31/96)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Landsberg a. Lech.

 

Tatbestand

I.

Die Betroffene, deren eheliche Wohnung sich im Bezirk des Amtsgerichts Landsberg a. Lech befindet, erlitt im Dezember 1995 eine schwere Hirnblutung.

Nachdem sie im Januar 1996 zur neurologischen Frührehabilitation in das Therapie-Zentrum Burgau aufgenommen worden war, bestellte das Vormundschaftsgericht Günzburg auf eine entsprechende Anregung des Therapie-Zentrums mit einstweiliger Anordnung vom 31.1.1996 für die Betroffene bis 30.7.1996 deren Ehemann zum vorläufigen Betreuer.

Im Anschluß an die nachgeholte Anhörung der Betroffenen und an die Verpflichtung des vorläufigen Betreuers übersandte das Vormundschaftsgericht Günzburg die Akten mit der Bitte um Übernahme an das Vormundschaftsgericht Landsberg a. Lech, da die Betroffene in dessen Bezirk ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe und die zu treffenden Eilmaßnahmen abgeschlossen seien.

Das Vormundschaftsgericht Landsberg a. Lech lehnte die Übernahme des Verfahrens ab. Die Betroffene müsse nach Angaben einer Ärztin noch weitere sechs bis acht Wochen in Burgau verbleiben. Alle anstehenden Maßnahmen, wie z.B. die Überprüfung der Notwendigkeit, die vorläufige Betreuung auslaufen zu lassen oder zu verlängern, seien deshalb im Bereich des Amtsgerichts Günzburg zu treffen.

Im Hinblick auf die ablehnende Haltung des Vormundschaftsgerichts Landsberg a. Lech legte das Vormundschaftsgericht Günzburg die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen. Es ist das gemeinschaftliche obere Gericht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG, da die beteiligten Amtsgerichte in verschiedenen bayerischen Landgerichtsbezirken liegen (§ 199 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG).

Zuständig ist das Vormundschaftsgericht Landsberg a. Lech (§ 65 Abs. 1 FGG). Dieses ist nicht berechtigt, die Fortführung des Betreuungsverfahrens abzulehnen.

1. Für Verrichtungen, die die Betreuung betreffen, ist gemäß § 65 Abs. 1 FGG dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene zu der Zeit, zu der das Gericht mit der Angelegenheit befaßt wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Da entsprechender eiliger Handlungsbedarf auch außerhalb des Bezirks des nach § 65 Abs. 1 FGG zuständigen Gerichts entstehen kann, erklärt § 65 Abs. 5 Satz 1 FGG für solche Fälle ergänzend das Gericht für zusätzlich zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt (vgl. Jansen FGG 2. Aufl. § 44 Rn. 5; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 65 Rn. 8). Dies gilt u.a. auch für die Notwendigkeit, dem Betroffenen durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer zu bestellen (§ 65 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 69f FGG).

Hat das Eilgericht seine durch die Dringlichkeit des Falles gebotene Aufgabe erfüllt, hat es den Vorgang an das nach § 65 Abs. 1 FGG zuständige Vormundschaftsgericht zu übersenden (vgl. BayObLG bei Plötz Rpfleger 1988, 95/98; KG JFG 20, 118/119 f.; SchlHOLG SchlHA 1953, 73; Jansen § 44 Rn. 5; Keidel/Kuntze § 44 Rn. 3). Dieses ist verpflichtet, das Verfahren fortzuführen. Nach der vom Gesetzgeber in § 65 FGG getroffenen Regelung ist die Zuständigkeit des Eilgerichts lediglich subsidiär und endet, wenn die erforderliche vorläufige Maßnahme getroffen ist (vgl. SchlHOLG SchlHA 1953, 73; Jansen § 44 Rn. 5). Für eine Abgabe des Verfahrens im Sinne von § 65a. § 46 FGG und damit insbesondere für Zweckmäßigkeitserwägungen ist kein Raum (vgl. BayObLG bei Plötz Rpfleger 1988, 95/98). Deshalb ist auch eine Anhörung des Betroffenen oder die Zustimmung des Betreuers nicht erforderlich.

2. Danach ist im vorliegenden Fall das Verfahren nunmehr durch das Vormundschaftsgericht Landsberg a. Lech weiter zu betreiben. Die erforderlichen Eilmaßnahmen sind getroffen. Die Betroffene hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor im Bezirk dieses Gerichts. Durch die lediglich vorübergehende Aufnahme der Betroffenen im Therapie-Zentrum Burgau zur Durchführung der neurologischen Frührehabilitation ist deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht dorthin verlegt worden (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 89; OLG Karlsruhe BtPrax 1996, 72; Knittel BtG § 65 FGG Rn. 10).

 

Unterschriften

Karmasin, Dr. Plößl, Dr. Schreieder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1085928

BayObLGZ 1996 Nr. 25

BayObLGZ 1996, 105

FGPrax 1996, 145

Rpfleger 1996, 454

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