Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Verwirkung des Beschwerderechts. Übertragung der elterlichen Sorge auf den Lebensgefährten der verstorbenen Mutter
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Verwirkung des Beschwerderechts in einem Verfahren zur Übertragung der elterlichen Sorge (hier: Beschwerde nach 15 Monaten).
2. Absehen von der Übertragung der elterlichen Sorge auf den überlebenden Vater nach dem Tod der sorgeberechtigten Mutter; Bestellung des Lebensgefährten der Mutter zum Vormund.
Normenkette
BGB §§ 242, 1681; FGG §§ 12, 20, 27; ZPO § 561
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 12.08.1996; Aktenzeichen 5 T 2353/96) |
AG Dillingen a.d. Donau (Aktenzeichen VII 101/96) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 12. August 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 3 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 2 ist der Vater des 1984 geborenen Mädchens, der Beteiligten zu 1. Seine Ehe mit der Mutter des Mädchens, einer Ärztin, wurde im Mai 1988 rechtskräftig geschieden, nachdem sich die Eheleute bereits 1985 getrennt hatten. Die elterliche Sorge für das Mädchen wurde der Mutter übertragen. Das Mädchen wuchs in der Folgezeit bei der Mutter auf, besuchte aber regelmäßig auch ihren Vater. Die Mutter lebte mit dem Beteiligten zu 3, ebenfalls einem Arzt, zusammen, nach Darstellung des Vaters mit mehreren Unterbrechungen. 1994 eröffnete die Mutter in einem von dem Beteiligten zu 3 errichteten Haus eine Allgemeinarztpraxis und übersiedelte mit dem Mädchen dorthin.
Am 12.3.1996 verstarb die Mutter. Noch am 12.3.1996 beantragte der Vater, ihm die elterliche Sorge für das Mädchen zu übertragen. Der Beteiligte zu 3 und und die Beteiligte zu 4, die Großmutter des Mädchens, widersprachen dem. Auch das Jugendamt schlug vor, Vormundschaft anzuordnen und den Beteiligten zu 3, der auch die Praxis der Mutter übernehmen wollte, zum Vormund zu bestellen. Das Mädchen solle nicht aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen werden, sondern bei dem Beteiligten zu 3, der faktisch die primäre Vaterfigur darstelle, verbleiben. Das Vormundschaftsgericht entsprach mit Beschluß vom 12.4.1996 diesem Vorschlag. In einer weiteren Entscheidung vom 15.5.1996 ordnete es Ergänzungspflegschaft an, soweit die Übernahme der Praxis der Mutter durch den Beteiligten zu 3 betroffen war, und wählte den Steuerberater der Mutter sowie des Beteiligten zu 3 zum Ergänzungspfleger aus.
Der Vater legte gegen beide Beschlüsse Beschwerde ein. Er wies darauf hin, daß das Mädchen aufgrund der früheren Besuche auch zu ihm eine enge Bindung habe und der Beteiligte zu 3 als Vormund ungeeignet sei. Die Lebensgemeinschaft mit der Mutter habe bereits vor deren Tod geendet, der Beteiligte zu 3 habe eine neue Lebensgefährtin. Im übrigen bestehe eine Interessenkollision wegen der Praxisübernahme. Das Landgericht wies am 12.8.1996 nach Anhörung des Kindes, des Vaters, des Beteiligten zu 3, des Ergänzungspflegers und des Jugendamts die Beschwerde gegen den Beschluß vom 12.4.1996 zurück. Über die Beschwerde gegen den Beschluß vom 15.5.1996 traf es im Hinblick auf das Ergebnis der Anhörung keine Entscheidung. Inzwischen ist die Praxisübernahme abgewickelt, die Ergänzungspflegschaft aufgehoben.
In der Folgezeit kam es zu Schwierigkeiten im Verhältnis des Vaters zu dem Mädchen und dem Beteiligten zu 3. Insbesondere besuchte das Mädchen den Vater nicht mehr regelmäßig. Auch eine Umgangsvereinbarung in einem Verfahren vor dem Familiengericht führte nicht zu einer dauerhaften Entspannung der Beziehungen. Seit März 1998 ist erneut ein Umgangsverfahren anhängig mit dem Ziel, den Vater vom Umgang auszuschließen.
Nachdem der Vater bereits Ende August 1997 mitgeteilt hatte, er beabsichtige weitere gerichtliche Schritte hinsichtlich der Vormundschaft und des Umgangs, legte er mit Schriftsatz vom 21.12.1997 weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts ein. Der Beteiligte zu 3 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten, die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere hat der Beteiligte zu 2 sein Beschwerderecht nicht verwirkt.
a) Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die unbefristete weitere Beschwerde gegeben (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), da das Gesetz eine sofortige Beschwerde nicht anordnet (vgl. auch § 29 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG). Nach allgemeiner Auffassung kann es jedoch gegen den auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn ein an sich nicht fristgebundenes Rechtsmittel erst eingelegt wird, nachdem seit dem Zugang der angegriffenen Entscheidung an den Rechtsmittelführer eine unangemessen lange Zeit verstrichen ist (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1980, 826, Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. Rn. 22 un...