Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Bestellung der älteren Schwester als Vormund eines 16-jährigen Kindes nach dem Tod der sorgeberechtigten Mutter
Leitsatz (amtlich)
Absehen von der Übertragung der elterlichen Sorge auf den überlebenden Vater nach dem Tod der sorgeberechtigten Mutter; Bestellung der 28jährigen Schwester als Vormund des 16-jährigen Kindes.
Normenkette
BGB §§ 1680, 1697, 1773 Abs. 1, § 1774 S. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 23.03.1998; Aktenzeichen 13 T 5942/97) |
AG Neumarkt i.d. OPf. (Aktenzeichen VII 92/97) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. März 1998 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Ehe der Eltern des 1982 geborenen Mädchens wurde im Jahr 1989 geschieden. Das Familiengericht übertrug die elterliche Sorge auf die Mutter. Diese ist am 16.11.1996 verstorben. Der Beteiligte zu 3 ist der Vater des Mädchens. Die Beteiligte zu 2 (geb. 1969) ist eine ihrer Schwestern. Die Mutter hat die Töchter zu ihren Erben bestimmt; allerdings ist für den Anteil des 1982 geborenen Kindes bis zur Volljährigkeit Vorerbschaft durch ihre Schwestern und Testamentsvollstreckung angeordnet. Zum Nachlaß gehört neben Grundvermögen ein Reisebusunternehmen, das die Beteiligte zu 2 leitet.
Das Vormundschaftsgericht hat im Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge nach dem Tod der Mutter mit Beschluß vom 16.6.1997 für das Kind Vormundschaft angeordnet und ihre älteste Schwester (Beteiligte zu 2) zum Vormund bestimmt. Der Vater hat am 4.7.1997 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluß vom 23.3.1998 zurückgewiesen hat. Die weitere Beschwerde des Vaters vom 9.4.1998 gegen diese Entscheidung hat der Senat mit Beschluß vom 22.9.1998 als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden war. Am 27.10.1998 hat der Vater zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erneut weitere Beschwerde eingelegt. Er wendet sich dagegen, daß nicht ihm, sondern seiner ältesten Tochter das Sorgerecht für das Kind übertragen worden ist, beanstandet dessen Unterbringung in einem „Nobelinternat” und hält die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn auch aus gesellschaftlichen Gründen für unabdingbar. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das Beschwerdegericht sein Vorbringen nicht beachtet habe.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung darüber berufen. Insoweit wird auf die Begründung des Senatsbeschlusses vom 22.9.1998 Bezug genommen.
Die unbefristete weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG) ist nunmehr formgerecht erhoben (§ 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG).
Der Wirksamkeit der weiteren Beschwerde vom 27.10.1998 steht nicht entgegen, daß der Senat das formwidrig eingelegte Rechtsmittel des Vaters vom 9.4.1998 gegen die erneut angefochtene Entscheidung mit Beschluß vom 22.9.1998 als unzulässig verworfen hat (vgl. Keidel/Kahl § 29 Rn. 35).
2. Das Landgericht hat ausgeführt, im Rahmen der nach dem Tode der Mutter zu treffenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts habe die elterliche Sorge auch unter Berücksichtigung des vorrangigen Elternrechts nicht dem Vater übertragen werden können, da dies dem Wohl des Kindes widerspreche. Das Kind habe bei der seit der Scheidung 1989 allein sorgeberechtigten Mutter und nach deren Tod bei der ältesten Tochter im mütterlichen Geschäfts- und Wohnanwesen gelebt. Der Vater habe seit Dezember 1992 keinen Kontakt mehr mit dem Kind.
Das Scheitern der Ehe, das der Vater der Mutter anlaste, habe zu zahlreichen Prozessen zwischen den Eltern, aber auch zwischen dem Vater und seinen Töchtern (Unterhalt) geführt, die den Vater gesundheitlich und finanziell stark belastet hätten. Der Vater lasse sich von seinem Kampf gegen die – aus seiner Sicht – von seiner Ehefrau und seinen Töchtern herbeigeführten materiellen Scheidungsfolgen bestimmen. Demgegenüber träten väterliche Gefühle und echtes Interesse am Wohl des Kindes zurück. Dies zeige sein als „letztes Einvernehmlichkeitsschreiben” an seine Töchter gerichteter Brief vom 28.4.1997, in dem er einen „Gesamtvorschlag zur Beendigung des Scheidungstraumas” gemacht habe: Das Sorgerecht für das Kind werde gemeinsames Sorgerecht und er erhalte von den Töchtern einen Gesamtbetrag von DM 1,15 Mio.
Das Kind selbst habe den Wunsch, daß die älteste Schwester und nicht der Vater die elterliche Sorge erhalte. Die Auffassung des Vaters, das damals nahezu 16-jährige Kind müsse zur Änderung dieser Einstellung gezwungen werden, lasse kein vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen dem Vater und seiner Tochter erwarten. Auch sei zu befürchten, daß der Vater das Kind verantwortlich machen werde für Äußerungen, die sie bei ihrer gerichtlichen Anhörung gemacht habe. Die Auseinandersetzung mit seinen Töchtern um die materiellen Scheidungsfolgen lasse nicht erwarten, daß der Vater die Belange des Kindes ernsthaft wahrnehme...