Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringungssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zustellung im Unterbringungsverfahren an den Betroffenen selbst kann auch im Wege der Ersatzzustellung erfolgen.

2. Wird bei einer Ersatzzustellung in der Zustellungsurkunde der Empfänger fehlerhaft bezeichnet (hier: in der Familie dienende Person statt Hauswirt), führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung.

3. Das Rechtsbeschwerdegericht kann über ein Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der sofortigen Beschwerdefrist selbst entscheiden, wenn das Landgericht die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen hat und das Wiedereinsetzungsgesuch erst anschließend mit der weiteren sofortigen Beschwerde gestellt worden ist.

 

Normenkette

BGB § 1906; FGG §§ 16, 22, 70g Abs. 1 S. 1; ZPO § 181

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Aktenzeichen 4 T 1530/01)

AG Öhringen (Aktenzeichen XVII 15/01)

AG Ansbach (Aktenzeichen XVII 75/01)

 

Tenor

I. Der Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Öhringen vom 22. Juni 2001 gewährt.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Ansbach zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit für sofort wirksam erklärten Beschluß vom 22.6.2001 genehmigte das Amtsgericht dem Betreuer die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung für die Dauer von zwei Jahren.

Die von der Betroffenen gegen die Unterbringungsmaßnahme am 26.7.2001 eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 13.8.2001 als unzulässig verworfen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die durch den Verfahrenspfleger erhobene sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen, mit der zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts beantragt und sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 22.6.2001 eingelegt wird.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Der Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts zu gewähren. Der Beschluß des Landgerichts vom 13.8.2001 ist damit gegenstandslos geworden. Das Landgericht hat nunmehr über die sachliche Begründetheit der sofortigen Beschwerde zu entscheiden.

1. Der Beschluß des Amtsgerichts vom 22.6.2001 ist der Betroffenen wirksam zugestellt worden.

a) Gemäß § 16 Abs. 2, § 70g Abs. 1 Satz 1 FGG sind Entscheidungen in Unterbringungssachen, zu denen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b FGG auch die Genehmigung der Unterbringung eines Betreuten nach § 1906 Abs. 1-3 BGB zählt, dem Betroffenen stets selbst bekanntzumachen. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt worden ist oder nicht (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 70g Rn. 1). Mit der Regelung des § 70g Abs. 1 Satz 1 FGG sollte die Rechtsstellung des Betroffenen gestärkt werden, der nicht ohne sein Wissen untergebracht werden soll (BT-Drucks. 11/4528 S. 185). Wegen dieses Gesetzeszweckes ist umstritten, ob die Zustellung an den Betroffenen stets an ihn persönlich zu erfolgen hat (so Marschner/Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 70g FGG Rn. 3) oder ob eine Ersatzzustellung möglich ist (so Bassenge/Herbst § 70g FGG Rn. 1; Jürgens/Mertens BtR 2. Aufl. § 70g FGG Rn. 1; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 16 Rn. 41, 42; Knittel BtG § 70g FGG Rn. 3).

Der Senat schließt sich der Auffassung an, daß eine Ersatzzustellung ausreicht. Würde stets eine Übergabe an den Betroffenen persönlich gefordert, wäre eine Zustellung häufig in den Fällen nicht möglich, in denen der Betroffene sich bewußt der Unterbringungsmaßnahme entziehen will und sich zu einer Vereitelung der Zustellung entschließt. Darüber hinaus sprechen praktische Gesichtspunkte für die Zulassung der Ersatzzustellung, weil die Übergabe an den Betroffenen persönlich vor allem in geschlossenen, aber auch in offenen Einrichtungen auf Schwierigkeiten stoßen kann. Aus diesen Gründen sieht künftig § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in der Fassung des Zustellungsreformgesetzes vom 25.6.2001 (BGBl I S. 1206) ausdrücklich die Ersatzzustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter vor.

b) Die Ersatzzustellung an die Betroffene ist wirksam erfolgt. Laut Postzustellungsurkunde wurde der Beschluß „einem im Dienst der Familie stehenden Erwachsenen” übergeben, also eine Ersatzzustellung gemäß § 181 Abs. 1 ZPO dokumentiert. Dieser Fall der Ersatzzustellung liegt aber nicht vor, weil die Betroffene in ihrer Wohnung im Pflegeheim nicht in einer Familie lebt. Zutreffend hätte die Ersatzzustellung gemäß § 181 Abs. 2 ZPO beurkundet werden müssen, da Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen oder Krankenhäusern und deren Bevollmächtigte als „Hauswirt” im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind (vgl. Baumbach/Hartmann ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?