Tenor

I. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung des Verfahrens über den Antrag der Antragstellerin, den von dem London Court of International Arbitration zwischen den Parteien und einer weiteren Schiedsbeklagten am 2. März 2021 in London ergangenen Schiedsspruch, LCIA Schiedsverfahren Nr. XXX, für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.

II. Die mündliche Verhandlung wird angeordnet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, mit dem die von der Antragsgegnerin als Schiedsklägerin vor dem London Court of International Arbitration erhobene Schiedsklage gegen die in Großbritannien ansässige Antragstellerin als Schiedsbeklagte zu 1) und eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland als Schiedsbeklagte zu 2) abgewiesen und die Schiedsklägerin zur Kostentragung verurteilt worden ist.

Gegenstand des Schiedsverfahrens waren angebliche Schadensersatzansprüche der Schiedsklägerin, einer Handelsgesellschaft mit Sitz in Deutschland, gegen die Schiedsbeklagten als Gesamtschuldnerinnen. Die Schiedsklägerin machte geltend, die Schiedsbeklagten hätten Pflichten, die ihnen aufgrund der zwischen den Parteien am 20. Oktober 2011 geschlossenen Verträge (Private Labeller and Distribution Agreement, nachfolgend: PLDA; Distribution Agreement, nachfolgend: DA) oblegen hätten, verletzt und dadurch der Schiedsklägerin einen erheblichen Schaden zugefügt.

Mit Schriftsatz vom 15. März 2021 hat die Antragstellerin ein Verfahren gegen die Antragsgegnerin eingeleitet, in dem sie die Vollstreckbarerklärung des am 2. März 2021 am Schiedsort London zwischen den Parteien und der weiteren Schiedsbeklagten ergangenen Schiedsspruchs begehrt. In diesem an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegebenen Verfahren hat die Antragsgegnerin am 7. Mai 2021 den Antrag angebracht, gemäß Art. VI UNÜ die Entscheidung über den Antrag, die Vollstreckung zuzulassen, so lange auszusetzen, bis über die Aufhebungsklage vom 29. März 2021 vor dem High Court of Justice Business and Property Courts of England and Wales Commercial Court entschieden ist.

Unter Vorlage ihrer Klage vom 29. März 2021 (Anlage AG 1 nebst Übersetzung) und einer als Expert Opinion bezeichneten Einschätzung eines englischen barrister vom 4. Mai 2021 (Anlage AG 4 nebst Übersetzung) macht sie geltend, es bestünden gute Aussichten darauf, dass die auf serious irregularities (Section 68 [2] [a] Arbitration Act 1996) gestützte Aufhebungsklage im Heimatstaat des Schiedsspruchs Erfolg haben werde. Im Wesentlichen gehe es um die Rechtsfrage, ob das Schiedsgericht bei der Auslegung des PLDA gemäß dem anwendbaren deutschen materiellen Recht Umstände und damit den wirklichen Willen der Parteien aus der vorvertraglichen sowie der laufenden vertraglichen Beziehung hätte berücksichtigen und in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen XXX im Schiedsspruch hätte würdigen müssen. Entscheidend für den übereinstimmenden Willen der Parteien seien Tatsachen, die dieser Zeuge bekundet habe. Er habe als Leiter Produktmanagement bei der Antragstellerin die Verhandlungen zum PLDA mit der Antragsgegnerin geführt. Er habe auch sachkundige Angaben für die Vollzugsphase nach Vertragsschluss beitragen können. Seine Rolle und seine Erinnerungen habe das Schiedsgericht als in hohem Maße wichtig für die strittige Geschäftsbeziehung der Parteien angesehen; es habe deshalb diesen Zeugen auf eigene Initiative benannt. Im Schiedsspruch habe es dessen Aussage jedoch übergangen. Die Erfolgsaussicht der Aufhebungsklage ergebe sich aus der Expert Opinion vom 4. Mai 2021 sowie daraus, dass der von der Antragstellerin beim High Court angebrachte Antrag auf frühzeitige Ablehnung der Aufhebungsklage ohne mündliche Verhandlung gemäß Mitteilung vom 10. Juni 2021 abgelehnt worden sei mit der Begründung, der Richter sei nicht der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten des Antrags nach Section 68 Arbitration Act 1996 lediglich aus der Luft gegriffen seien (Anlage AG 14).

In der Sache selbst beruft sich die Antragsgegnerin auf den Versagungsgrund des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ. Das Schiedsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Zentraler Streitpunkt sei im Schiedsverfahren die Frage gewesen, ob bzw. in welchem Umfang die Schiedsbeklagten verpflichtet gewesen seien, ihre Verkäufe von Linearbeschleunigern mit dem von der Schiedsklägerin zu liefernden I.-System - einem Sicherheitssystem zur Patientenidentifikation und Verifizierung des Zubehörs in der Strahlentherapie - zu bündeln. Hierzu habe der Zeuge XXX Wesentliches ausgesagt. Er habe bekundet, dass

  • er eine tragende Rolle als Berater des Rechts- und Managementteams bei der Entwicklung des Projekts und des PLDA sowie des sich über mindestens die ersten fünf Jahre erstreckenden Geschäftsplans der Vertragsparteien innegehabt habe,
  • die Annahmen im Geschäftsplan sehr realistisch und erreichbar gewesen seien und er umfassende Informationen sowie Entscheidungen einer Vielzahl Beteiligter der XXX (...

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