Leitsatz (amtlich)
Ob größere Reparaturarbeiten aus der hierfür wahrscheinlich ausreichenden Instandhaltungsrücklage bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage erhoben wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer. Es besteht kein Anspruch darauf, immer zunächst die Rücklage auszuschöpfen.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Aktenzeichen 4 T 9/02) |
AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen UR II 21/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Aschaffenburg vom 29.1.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.906 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Die Wohnungseigentümer beschlossen am 17.4.2002 unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3, die Balkonverkleidungen instand setzen zu lassen und den Auftrag dazu einer bestimmten Firma zu erteilen. Ansonsten (TOP 4) beschlossen sie, die dadurch anfallenden Kosten zur Hälfte der Instandhaltungsrücklage zu entnehmen und i.Ü. durch einen zwölfmonatigen Zuschlag auf die monatlichen Wohngeldvorauszahlungen in der Weise auf die Wohnungseigentümer umzulegen, dass die Wohnungseigentümer des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses jeweils 46 Euro im Monat und die Wohnungseigentümer im Dachgeschoss jeweils 34 Euro im Monat ab 1.5.2002 zu zahlen haben.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 15.5.2002 beim AG beantragt, die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. In der Folgezeit hat der Verwalter die Instandsetzung der Balkone aufgrund des Eigentümerbeschlusses zu TOP 3 veranlasst; sie wurde zwischenzeitlich abgeschlossen, und es wurde dafür ein Betrag von 4.906 Euro in Rechnung gestellt. Daraufhin hat der Antragsteller mit Schreiben vom 17.9.2002 den Antrag, den Eigentümerbeschluss zu TOP 3 für ungültig zu erklären, zurückgenommen und beantragt festzustellen, dass die Auftragsvergabe zur Balkonsanierung an die im Eigentümerbeschluss genannte Firma aufgrund des Eigentümerbeschlusses zu TOP 3 rechtswidrig gewesen sei; den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 4 hat er weiterverfolgt. Das AG hat mit Beschluss vom 24.10.2002 die Anträge abgewiesen. Das LG hat am 29.1.2003 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Auftragsvergabe durch den Verwalter aufgrund des Eigentümerbeschlusses zu TOP 3 sei nicht rechtswidrig gewesen, weil der Eigentümerbeschluss wirksam und damit für den Verwalter verbindlich gewesen sei.
Den Eigentümerbeschluss zu TOP 4 habe das AG zu Recht nicht für ungültig erklärt. Die Erhebung einer Sonderumlage i.H.d. Hälfte der angefallenen Instandsetzungskosten widerspreche nicht der Teilungserklärung. Durch diese werde nämlich der Verwalter nur verpflichtet, das Einverständnis der Wohnungseigentümer für solche Instandsetzungsarbeiten einzuholen, für die die Instandhaltungsrücklage nicht ausreiche. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Entscheidung, zur Bezahlung der Reparaturkosten nicht in vollem Umfang die Instandsetzungsrücklage heranzuziehen, sondern eine Sonderumlage zu erheben, habe im pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer gestanden. Ein Ermessensmissbrauch liege nicht vor.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Rechtsgrundlage für die Vergabe der Instandsetzungsarbeiten war der Eigentümerbeschluss zu TOP 3. Dieser Beschluss war und ist für den Verwalter verbindlich; nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG hatte er ihn auszuführen. Ein Eigentümerbeschluss ist bis zu seiner rechtskräftigen gerichtlichen Ungültigerklärung als wirksam zu behandeln (§ 23 Abs. 4 WEG) und für sämtliche Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 4 WEG und den Verwalter verbindlich (BayObLG WuM 2000, 153). Gründe für eine Nichtigkeit sind nicht erkennbar.
b) Der Eigentümerbeschluss zu TOP 4 ist nicht für ungültig zu erklären.
(1) Ob größere Reparaturarbeiten aus der hierfür wahrscheinlich ausreichenden Instandhaltungsrücklage bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage erhoben wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinschaft. Es besteht kein Anspruch darauf, immer zunächst die Rücklage auszuschöpfen (OLG Köln NZM 1998, 878). Das LG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wohnungseigentümer von ihrem Ermessen keinen pflichtwidrigen Gebrauch gemacht haben.
(2) Weil die Sonderumlage den Wirtschaftsplan ergänzt, gilt für ihre Bemessung der allgemeine in der Gemeinschaftsordnung festgelegte Verteilungsschlüssel (BayObLG v. 4.4.2001 – 2 Z BR 13/01, NJW-RR 2001, 1020 f.). Hier ist weder vorgetragen noch offenkundig, dass gegen den maßgebenden Verteilungsschlüssel...