Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache. Schadensersatz. Begutachtung zur Feststellung der Verfahrensfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ordnet das Amtsgericht in einem wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren zur Prüfung der Verfahrensfähigkeit des Antragstellers durch Beweisbeschluß dessen Untersuchung durch einen psychiatrischen Sachverständigen an, ist hiergegen die Beschwerde gegeben.

2. Die Verfahrensfähigkeit des Antragstellers ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Bestehen ernsthafte, auf Tatsachen beruhende Zweifel an der Verfahrensfähigkeit, muß diesen von Amts wegen nachgegangen werden.

 

Normenkette

FGG §§ 12, 19; BGB §§ 104 ff.; ZPO § 52

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 13/00)

LG München I (Aktenzeichen 1 T 8410/00)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 31. Mai 2000 und des Amtsgerichts München vom 2. Mai 2000 aufgehoben.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller macht in einem Verfahren vor dem Wohnungseigentumsgericht Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend.

Das Amtsgericht hat am 2.5.2000 einen Beweisbeschluß des Inhalts erlassen, daß der Antragsteller „von Amts wegen zur Frage seiner Prozeßfähigkeit durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu untersuchen” ist; außerdem hat es in dem Beweisbeschluß einen psychiatrischen Sachverständigen bestimmt und das Verfahren bis zu Erstattung des Gutachtens ausgesetzt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 31.5.2000 die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen weitere Beschwerde.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 43 Abs. 1 WEG, § 27 WEG). Die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers ergibt sich aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde (vgl. BayObLGZ 1989, 175/178; 1996, 192/194). Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Die Erstbeschwerde des Antragstellers ist gemäß § 19 FGG zulässig. Durch den Beweisbeschluß des Amtsgerichts soll geklärt werden, ob der Antragsteller geschäftsfähig (vgl. §§ 104 ff. BGB) und damit verfahrensfähig (vgl. § 52 ZPO; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. Einleitung zum FGG Rn. 34 ff.) ist; dies ist Voraussetzung für einen wirksamen Antrag im Sinn des § 43 Abs. 1 WEG (vgl. BayObLGZ 1989, 175/179 f.). Ein Zwischenbeschluß in der Form eines Beweisbeschlusses, der die Prüfung der Geschäfts- und damit Verfahrensfähigkeit zum Gegenstand hat, ist grundsätzlich unanfechtbar. Eine Ausnahme gilt aber, wenn das Gesetz die Anfechtbarkeit der Zwischenentscheidung ausdrücklich vorsieht oder durch diese unmittelbar in erheblichem Maß in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird (allgemeine Meinung; BayObLGZ 1996, 1/4 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall.

Der Senat hat die Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung verneint, in der einem Beteiligten aufgegeben wurde, die Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit durch Vorlage eines nervenfachärztlichen Zeugnisses auszuräumen (BayObLG aaO). Begründet wurde dies damit, daß es dem Betroffenen freistehe, der Auflage des Gerichts nachzukommen und ihm im Falle einer Weigerung keine unmittelbaren Nachteile entstehen. Offengelassen wurde in der Entscheidung, ob dies auch dann gilt, wenn eine ärztliche Begutachtung angeordnet wird. Dies ist hier geschehen. Das Gericht hat von Amts wegen die Untersuchung des Antragstellers durch einen psychiatrischen Sachverständigen angeordnet. Der Antragsteller muß damit mit einer Vorladung und Untersuchung durch den Sachverständigen und für den Fall einer Weigerung mit Zwangsmitteln des Gerichts gemäß § 33 FGG zur Durchsetzung des Beweisbeschlusses rechnen. Dies führt wegen des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechte des Antragstellers zur Anfechtbarkeit der Entscheidung (vgl. BayObLGZ 1990, 37/39; OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 163/164; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 9; Bassenge/Herbst § 19 FGG Rn. 14).

2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Prozeßfähigkeit des Antragstellers sei in einem früheren wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren bereits einmal durch einen Sachverständigen untersucht worden. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 18.12.1998 die Prozeßfähigkeit bejaht und festgestellt, es handele sich bei dem Antragsteller um eine übernachhaltige Persönlichkeit, welche teils anankastische, teils querulatorische Züge aufweise; diese Persönlichkeitsmerkmale seien aber nicht so ausgeprägt, daß deshalb eine Prozeßunfähigkeit anzunehmen sei. Aufgrund der Fülle und der Art der seit der Begutachtung von dem Antragsteller betriebenen Verfahren bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsteller den Bezug zur Realität verloren habe. Insbesondere die vom Antragsteller nunmehr angestrengten Vollstreckungsverfahren, in denen er im wesentlichen immer wieder seine ursprünglichen Argumente aus den Hauptsacheverfahren wiederhole, begründeten den Verdacht, daß der Antragsteller nun durch eine wahnhafte Entwicklung nicht mehr in der Lage sei, neu...

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