Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringungssache
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Beendigung einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Unterbringung ist bzw. bleibt trotz der damit eingetretenen Erledigung der Hauptsache ein Rechtsmittel des Betroffenen mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme zulässig, wenn die Unterbringung nicht länger als sechs Wochen gedauert hat (Ergänzung zu BayObLGZ 1999, 24).
2. Die persönliche Anhörung des Betroffenen gehört, auch wenn eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme angeordnet wird, zu den durch Art. 104 Abs. 1 GG zum Verfassungsgebot erhobenen Grundsätzen.
3. Der Richter darf vor der Anordnung einer vorläufigen Unterbringungsmaßnahme von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nur absehen, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, welche die erforderliche Gefahr im Verzug begründen. Eine unterlassene vorherige Anhörung ist in aller Regel – ggf. durch den Eilrichter – spätestens an dem auf die Beschlußfassung folgenden Tag nachzuholen.
Normenkette
FGG §§ 70h, 69f Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 27.01.2000; Aktenzeichen 7 T 35/00) |
AG Regensburg (Urteil vom 08.01.2000; Aktenzeichen XVII 48/2000) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 27. Januar 2000 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringungsmaßnahmen durch den Beschluß des Amtsgerichts Regensburg vom 8. Januar 2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
Gründe
I.
Das Amtsgericht ordnete am 8.1.2000 gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB ohne vorherige Anhörung der Betroffenen deren vorläufige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 7.4.2000 an, weil die Gefahr bestehe, daß sich die Betroffene „tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden” zufüge. Darüber hinaus verfügte es vorläufig die Freiheitsentziehung durch Bauchgurt im Bett und Fixierung der Extremitäten. Die Anhörung der Betroffenen holte es am 13.1.2000 nach. Aufgrund einer weiteren Anhörung vom 17.1.2000 hob das Amtsgericht am 18.1.2000 den Beschluß vom 8.1.2000 auf. Die am 19.1.2000 eingegangene gegen den Beschluß vom 8.1.2000 gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen verwarf das Landgericht am 27.1.2000. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 8.1.2000 geltend macht.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Erstbeschwerde sei unzulässig, weil die Unterbringungsmaßnahme durch den Beschluß des Amtsgerichts vom 18.1.2000 aufgehoben und damit beendet worden sei. Die angefochtene Maßnahme sei prozessual überholt.
2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, daß durch die Aufhebung des Beschlusses über die Unterbringung die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. Es durfte die Erstbeschwerde aber nicht allein wegen prozessualer Überholung als unzulässig verwerfen (vgl. BVerfG NJW 1998, 2432/2433). Auch nach Aufhebung einer vormundschaftsgerichtlich angeordneten Unterbringung kann der Betroffene ein gegen die Anordnung eingelegtes Rechtsmittel mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung fortführen, wenn die Unterbringungsdauer lediglich bis zu sechs Wochen bemessen war (vgl. BayObLGZ 1999, 24 = FamRZ 1999, 794; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 92 LS). Ebenso kann er mit diesem Ziel nach der Aufhebung ein Rechtsmittel einlegen. Da das Rechtsschutzinteresse nicht anders beurteilt werden kann, gelten diese Grundsätze auch, wenn die Unterbringung zwar – wie hier – auf einen längeren Zeitraum angeordnet wurde, ihre tatsächliche Dauer aber bis sechs Wochen betragen hat. Es kommt daher nicht mehr darauf an, daß die Anordnung der Unterbringung für einen Zeitraum von drei Monaten gegen § 70h Abs. 2 Satz 1 FGG verstieß.
Daß die Betroffene mit ihrem Rechtsmittel hier das Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit verfolgte, ergibt sich schon daraus, daß sie im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels bereits entlassen war.
Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts, aber nicht zur Zurückverweisung der Sache. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Ermittlungen bedarf (BGH NJW 1997, 2815/2817; Bay-ObLG NJW-RR 1998, 294/295). Dem steht nicht entgegen, daß das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat (BayObLG NJW-RR 1998, 519; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 32).
b) Entsprechend dem Begehren der Betroffenen ist festzustellen, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringung und der vorläufigen unterbringungsähnlichen Maßnahmen durch den Beschluß des Amtsgerichts vom 8.1.2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
aa) Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des von ihm festges...