Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung. Bestimmung des zuständigen Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem negativen Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Familiengerichten ist ohne Rücksicht auf eine Revisionszuständigkeit das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig wenn die Gerichte verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken angehören.

2. Ist der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners unbekannt, so ist die örtliche Zuständigkeit im Scheidungsverfahren so zu bestimmen, als habe der Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

 

Normenkette

ZPO § 36 Nr. 6, §§ 281, 606; AGGVG Art. 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Hof (Aktenzeichen 1 F 641/95)

AG München (Aktenzeichen 541 F 3070/96)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie im Bezirk des Amtsgerichts Hof. Nach der Trennung ist die Ehefrau nach München gezogen. Sie hat beim Amtsgericht Hof die Scheidung ihrer kinderlosen Ehe beantragt, wobei sie eine Anschrift des Antragsgegners im Bezirk des Amtsgerichts Hof angab. Der Antrag wurde den im Prozeßkostenhilfeverfahren beteiligten Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 14.5.1996 zugestellt.

Der Familienrichter des Amtsgerichts Hof hat Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Die an den Antragsgegner gerichtete Terminsladung gelangte jedoch mit dem Postvermerk „unbekannt verzogen” zurück. Nach Einholung einer Auskunft aus dein Melderegister der Stadt Hof, wonach der Antragsgegner sich nach tünchen abgemeldet, habe, hat der Familienrichter die Parteivertreter auf Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. Daraufhin teilten die Verfanrensbevollmächtigten des Antragsgegners mit, ihnen sei weder eine neue Anschrift noch bekannt, ob zum Zeitpunkt der Zustellung ein Wohnsitz in München bestanden habe.

Mit Beschluß vom 12.6.1996, der den Parteivertretern bekanntgegeben wurde, hat das Amtsgericht Hof – Familiengericht – das Verfahren „wegen örtlicher Unzuständigkeit an das gemäß § 606 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuständige Amtsgericht München – Familiengericht – abgegeben”, mit der Begründung, der Antragsgegner habe zum Zeitpunkt der Zustellung seinen Wohnsitz bereits in München gehabt,

Das Amtsgericht München – Familiengericht – hat mit Beschluß vom 5.8.1996 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Es hält die Abgabe des Verfahrens, die rechtlich als Verweisung anzusehen sei, für willkürlich, da der Scheidungsantrag wirksam zugestellt worden sei. Nicht festgestellt sei, zu welchem Zeitpunkt die Abmeldung des Antragsgegners aus Hof erfolgt sei. Dieser sei weder unter der Münchner Anschrift wohnhaft noch im Melderegister der Landeshauptstadt München eingetragen. Das Amtsgericht München hat, die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

Wie die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners mitteilen, ist ihnen eine Wohnanschrift ihres Mandanten weder zum Zeitpunkt das 14.5.1996 noch heute bekannt. Nach Mitteilung der Antragstellerin hat der Antragsgegner im Laufe des letzten halben Jahres mehrmals den Wohnsitz gewechselt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das zunächst höhere gemeinsame Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen den Amtsgerichten Hof und München berufen (§ 36 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 8 EGGVG, § 139 Abs. 1 GVG, §§ 7, 9 EGZPO, Art. 11 Abs. 1 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1993, 317/318; 1994, 91/92 und 1991, 241; BGH NJW 1979, 2249). Bei einem negativen Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Familiengerichten ist ohne Rücksicht auf eine Revisionszuständigkeit das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, wenn die Gerichte wie hier verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken angehören.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Die beteiligten Amtsgerichte haben sich in einer den Erfordernissen des § 36 Nr. 6 ZPO entsprechenden Weise für örtlich unzuständig erklärt, das Amtsgericht Hof durch seinen Beschluß vom 12.6.1996 und das Amtsgericht München durch Beschluß vom 5.8.1996. Beide Beschlüsse wurden den Parteivertretern mitgeteilt.

3. Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die Zuständigkeitsvorschriften, sondern ist auch die verfahrensrechtliche Bindungswirkung (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) zu beachten (vgl. BayObLGZ 1989, 235/238 und ständige Rechtsprechung).

a) Das Amtsgericht München ist hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit durch den Beschluß des Amtsgerichts Hof vom 12.6.1996 nicht gemäß § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO gebunden, denn es handelt, sich nicht um eine förmliche Verweisung, sondern um eine Abgabe.

Zwar sieht das Gesetz für die Überleitung eines rechtshängigen Ehescheidungsverfahrens von einem Familiengericht an das Familiengericht eines anderen Amtsgerichts die Verweisung gemäß § 281 ZPO vor (vgl. MünchKomm/Prütting ZPO § 281 Rn. 16).

b) Eine Umdeutung der hier e...

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