Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen

 

Leitsatz (amtlich)

Erlaubt die Gemeinschaftsordnung einer großen im Innenstadtbereich gelegenen Wohnanlage die Nutzung von Wohnungs- und Teileigentum ohne Benutzungsbeschränkung und insbesondere auch zur beliebigen gewerblichen Nutzung und zur Ausübung eines freien Berufes, so entspricht eine Beschränkung des Musizierens in der Hausordnung, die keine Ausnahme für berufsbedingt musizierende Bewohner vorsieht, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1, § 15

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 06.08.2001; Aktenzeichen 1 T 18750/00)

AG München (Aktenzeichen 484 UR II 724/99 WEG)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 6. August 2001 dahin abgeändert, daß der Beschluß der Eigentümerversammlung vom 28. Juli 1999 zu Tagesordnungspunkt II. 3. – Ergänzung der Hausordnung: zeitliche Begrenzung des Musizierens – für ungültig erklärt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer großstädtischen Wohnanlage, die aus mehr als 200 Einheiten besteht. Sie wird von der weiteren Beteiligten verwaltet. In § 6 (2) Gemeinschaftsordnung (GO) ist bestimmt, daß Wohnungs- und Teileigentumseinheiten nicht zum Zwecke der Unzucht genutzt werden dürfen, sonstige Nutzungsbeschränkungen nicht bestehen, auch künftig keine weiteren Benutzungsbeschränkungen beschlossen und die Wohnungen sowohl beliebig gewerblich als auch zur Ausübung eines freien Berufs (z. B. Arzt, Anwalt) genutzt werden können. Die Hausordnung legt eine allgemeine Hausruhe von 13.00 bis 15.00 Uhr und von 22.00 bis 7.00 Uhr fest. Bohren und Hämmern ist werktags nach 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen generell verboten; die allgemeine Sonn- und Feiertagsruhe ist zu beachten. Bei Radio und Fernsehen ist stets die Zimmerlautstärke zu beachten.

Unter Tagesordnungspunkt (TOP) II. 3. wurde in der als Zweitversammlung abgehaltenen Wohnungseigentümerversammlung vom 28.7.1999 über die Ergänzung der Hausordnung in drei Punkten, so über folgenden die Hausruhe betreffenden Zusatz abgestimmt:

Musizieren ist nicht länger als eine Stunde vor- und eine Stunde nachmittags bis abends 20.00 Uhr gestattet.

Im Protokoll ist unter Aufführung der nach Miteigentumsanteilen berechneten Nein- und Ja-Stimmen festgehalten, daß der Antrag mehrheitlich angenommen wurde.

Der Antragsteller hat beantragt, verschiedene Beschlüsse der Eigentümerversammlung (Wohngeldabrechnung 1998, Entlastung der Verwaltung für das Wirtschaftsjahr 1998, Wirtschaftsplan 1999, Ergänzung der Hausordnung) für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 11.9.2000 nur hinsichtlich des Beschlusses zur Hausordnung entsprochen. Auf die sofortigen Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegner hat das Landgericht am 6.8.2001 den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben, die Eigentümerbeschlüsse zur Jahresabrechnung 1998 und zur Verwalterentlastung für das Wirtschaftsjahr 1998 für ungültig erklärt sowie im übrigen die Anträge und die sofortigen Beschwerden zurückgewiesen. Wegen Erledigung nicht mehr streitgegenständlich ist der Beschluß über den Wirtschaftsplan 1999. Die Gerichtskosten beider Instanzen hat das Landgericht den Antragsgegnern auferlegt und von einer Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel, den Beschluß der Eigentümerversammlung vom 28.7.1999 zur Ergänzung der Hausordnung für ungültig zu erklären, weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel hat, soweit die Hausordnung um eine Regelung über die Zulässigkeit des Musizierens ergänzt wurde, Erfolg.

1. Das Landgericht hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:

Der Beschluß über die Ergänzung der Hausordnung hinsichtlich des Musizierens sei formell wirksam zustande gekommen. Aus dem Protokoll ergebe sich eine Mehrheit für den Beschluß. Fehler bei der Protokollierung oder bei der Durchführung der Abstimmung seien nicht ersichtlich. Die Versammlung sei als Eventualversammlung auch beschlußfähig gewesen. Von einer ordnungsgemäßen Einladung sei auszugehen. Inhaltlich entspreche der angegriffene Beschluß ordnungsmäßiger Verwaltung; er bewege sich innerhalb des der Eigentümergemeinschaft zustehenden Gestaltungsspielraums. Die Eigentümergemeinschaft dürfe das Musizieren einer zeitlichen Beschränkung unterwerfen; es sei auch möglich, bestimmte Ruhezeiten für das Musizieren festzulegen. Die Grenze sei dort zu ziehen, wo der Beschluß entweder ein völliges Musizierverbot oder eine dem praktisch gleichzusetzende Reglementierung enthalte. De...

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