Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Bußgeld. Bußgeldbewehrung. Eltern. Sorgeberechtigung. Grundschule. Schüler. Kind. Kinderbetreuung. Masern. Masernvirus. Impfpflicht. Impfrate. Nachweis. Bescheinigung. Beratungsgespräch. einrichtungsbezogen. Gesetzgeber. Einschätzungsspielraum. Erziehungsrecht. Gemeinschaftseinrichtung. Genesenennachweis. Gesundheitsamt. Unterlassen. Konkurrenzverhältnis. Tateinheit. Tatmehrheit. Handlungspflicht. Handlungseinheit. Tatentschluss. Impfunverträglichkeit. Impfkontraindikation. Infektionsrisiko. Ansteckung. Ansteckungsrisiko. vulnerabel. Immunisierung. Herdenimmunität. Schulpflicht. Richtervorlage. Verhältnismäßigkeit. Auslegung. verfassungskonform. Zwangsgeld. Schuldspruch. Schuldspruchänderung. Rechtsfolgenausspruch. Rechtsbeschwerdegericht. Durchentscheidung. Betretungsverbot. Corona-Virus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Erziehungsrecht bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn gegenüber sorgeberechtigten Eltern schulpflichtiger Kinder bei Unterlassen der Vorlage von Bescheinigungen zum Schutz gegen Masern eine Geldbuße verhängt wird.

2. Werden von Eltern zweier Kinder, die dieselbe Grundschule besuchen, Bescheinigungen zum Schutz gegen Masern nicht vorgelegt, liegt in der Regel eine Pflichtverletzung des sorgeberechtigten Elternteils in zwei tateinheitlichen Fällen vor.

1. Trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Erziehungsrecht bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn gegenüber sorgeberechtigten Eltern schulpflichtiger Kinder bei Unterlassen der Vorlage von Bescheinigungen zum Schutz gegen Masern eine Geldbuße verhängt wird.

2. Werden von Eltern zweier Kinder, die dieselbe Grundschule besuchen, Bescheinigungen zum Schutz gegen Masern nicht vorgelegt, liegt in der Regel eine Pflichtverletzung des sorgeberechtigten Elternteils in zwei tateinheitlichen Fällen vor.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1; BV Art. 129 Abs. 1; IfSG § 20 Abs. 3, 8-9, 12-13, § 33 Nr. 3; BayEUG Art. 35 Abs. 1; OWiG § 17 Abs. 3, § 46 Abs. 1, § 79 Abs. 1, 6; StPO § 473 Abs. 1, 4; IfSG § 73 Abs. 1a Nr. 7d; OwiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 6

 

Verfahrensgang

AG Tirschenreuth (Entscheidung vom 09.11.2023)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 09.11.2023 dahingehend abgeändert, dass die Betroffenen jeweils wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises zum Schutz gegen Masern bzw. einer Bescheinigung über die Impfkontraindikation (nach § 20 Abs. 9, 12, 13 IfSG) für Personen, die in einer Schule betreut werden, in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldbuße von jeweils 1.000 Euro verurteilt werden.

II. Die weitergehenden Rechtsbeschwerden der Betroffenen werden als unbegründet verworfen.

III. Die Betroffenen haben die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird jedoch um ein Drittel ermäßigt. Die den Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden zu einem Drittel der Staatskasse auferlegt. Im Übrigen haben die Betroffenen ihre Auslagen selbst zu tragen.

 

Gründe

I.

Gegen die Betroffenen, die sorgeberechtigte Eltern ihrer beiden die Grundschule besuchenden Kinder sind, wurden mit Bußgeldbescheiden des Landratsamts vom 02.03.2023 - getrennt nach beiden Kindern - jeweils zwei Geldbußen in Höhe von jeweils 1000 Euro verhängt, da sie vorangegangenen Aufforderungen des Gesundheitsamtes zur Vorlage von Nachweisen zum Schutz der Kinder gegen Masern bzw. einer förmlichen Bescheinigung über die Impfkontraindikation keine Folge geleistet hatten. Nach form- und fristgerechter Einlegung des Einspruchs hat das Amtsgericht aufgrund der Hauptverhandlung vom 09.11.2023 die Betroffenen schuldig gesprochen, vorsätzlich in zwei tatmehrheitlichen Fällen entgegen § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1, Abs. 13 IfSG für Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG betreut werden, einen Nachweis nicht vorgelegt zu haben, und sie deshalb zu Geldbußen von jeweils zweimal 800 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie jeweils mit der Verletzung materiellen Rechts begründet haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihren Stellungnahmen vom 26.01.2024 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts vom 09.11.2023 im Konkurrenzverhältnis dahingehend abzuändern, dass die Betroffenen schuldig sind des Verstoßes in zwei tateinheitlichen Fällen und deshalb zu einer Geldbuße von jeweils 1600 Euro verurteilt werden.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG jeweils statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde führt - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsbeschwerde als unbegründet - zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Schuldspruch und im Rechtsfolgenausspruch.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffene...

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