Leitsatz (amtlich)
1. Ein Angebot, das die vom Auftraggeber geforderten Erklärungen nicht enthält, ist auszuschließen.
2. Die schwerwiegende Rechtsfolge eines Bieterausschlusses wegen fehlender Erklärungen erfordert es, dass die Vergabestelle in den Vergabeunterlagen unmissverständlich deutlich macht, welche Bietererklärungen sie als Umstand betrachtet, der für die Vergabeentscheidung relevant sein soll.
Ist nach der Baubeschreibung vom Bieter ein Bauzeitenplan bereits mit dem Angebot vorzulegen, kann von einer geforderten Erklärung jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der Plan weder vertragliche Erklärungen enthält noch im Anschreiben als mit dem Angebot vorzulegen aufgeführt ist.
3. Erhält der Antragsteller im Beschwerdeverfahren Akteneinsicht und stützt er auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse neue Rügen, die vor der Vergabekammer noch nicht verfahrensgegenständlich waren, so bilden auch diese den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (wie OLG Thür. NZBau 2000, 349 [350]; Abweichung zu BayObLG 1999, 127 [134 f.]).
4. Die Wertung eines Pauschalpreisnebenangebots verlangt von der Vergabestelle im Allgemeinen nicht, zusätzlich etwaige eigene Personaleinsparungen für das Bauvorhaben zu berücksichtigen, die durch verminderten Kontroll- und Abrechnungsaufwand entstehen können.
Normenkette
GWB § 97 Abs. 1, 7, § 117 Abs. 2; VOB § 8 Nr. 3 Abs. 3 S. 1, § 9 Nr. 6, § 10 Nr. 1 Abs. 1, § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3, § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, § 26
Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 28.04.2003; Aktenzeichen 320.VK-3194 08/03) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 1.4.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 GWB sowie der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 994.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Autobahndirektion Nb. als Vergabestelle der Antragsgegnerin schrieb im Offenen Verfahren die Erd- und Oberbauarbeiten für einen Streckenabschnitt der Bundesautobahn Erfurt-Schweinfurt mit einem geschätzten Auftragswert von über 20 Mio. Euro Europaweit aus. Zuschlagskriterien sind, soweit bedeutsam, neben dem Preis die Qualität und die Wirtschaftlichkeit. Als Vertragsfristen weisen die Besonderen Vertragsbedingungen (Formblatt EVM BVB) unter Nr. 2 den Beginn der Ausführung (7.4.2002) und die Vollendung der Ausführung (30.9.2005) aus. Vertragsstrafen bei Überschreitung vertraglicher Fristen sind nicht vorgesehen. Die Baubeschreibung, die Teil des Angebots ist, stellt unter Nr. 17 den Bauablauf dar und leitet mit dem Hinweis ein, dass ein verbindlicher Bauzeiten- und Ablaufplan unter Berücksichtigung der sicherheitsrelevanten Vorgaben für die Bereiche einer in der Baustelle befindlichen Wasserschutzzone vor Beginn der Bauarbeiten dem Auftraggeber unverzüglich vorzulegen ist. Nr. 27 der Baubeschreibung trägt die Überschrift „Vom AN (= Auftragnehmer) zu beschaffende Ausführungsunterlagen”. Sie enthält unter Nr. 27.5 folgende Klausel:
Der Bieter hat seinem Angebot einen Bauzeitenplan beizugeben, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass die Arbeiten innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes abgeschlossen werden (auf die Gleichzeitigkeit der Leistungserbringung mehrerer AN innerhalb des Loses wird hier ausdrücklich hingewiesen).
Zur Submission am 16.10.2002 lag neben dem Angebot der Antragstellerin, das sieben Nebenangebote umfasste, auch das Angebot der Beigeladenen mit vier Nebenangeboten und einem zusätzlichen Angebot mit Lohngleitklausel vor. Rechnerisch lag die Beigeladene mit ihrem Angebot an erster, die Antragstellerin an zweiter Stelle. Einen Bauzeitenplan hatte zu diesem Zeitpunkt nur die Antragstellerin, nicht aber die Beigeladene eingereicht. Im Angebot der Beigeladenen fehlten überdies noch die ausgefüllten Anlagen zum Leistungsverzeichnis wie Baustoff-/Bieterangabenverzeichnis und die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise (EFB Preis 1 b). Diese sowie zunächst lückenhafte Angaben zur Preisermittlung (EFB Preis 1 a) wurden im anschließendem Aufklärungsgespräch nachgereicht und ergänzt.
Nach Abschluss der Wertung will die Vergabestelle den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen mit einer Bruttoauftragssumme von 19.822.232,93 Euro erteilen und dabei deren Nebenangebot 1 (Ausführung der Fahrbahn in Betonbauweise) und die angebotene Lohngleitklausel berücksichtigen. Der Antragstellerin, bei deren Angebot unter anderem das Nebenangebot 5 (Pauschalierung von Teilen der Erdbauleistungen) mit einer Einsparung von 441.374,20 Euro gewertet wurde und das so mit einem Bruttobetrag von 19.882.462,24 Euro abschließt, teilte die Vergabestelle am 25.2.2003 gem. § 13 VgV die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene mit. Die Antragstellerin rügte daraufhin am 27.2.2003 die Nichtberücksichtigung ihres Angebots und bemängelte insb. den unterbliebenen Aus...