Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostensache. Kostenberechnung des Notars

 

Leitsatz (amtlich)

Das Landwirtschaftsprivileg kann auch dann eingreifen, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb als Wirtschaftseinheit übertragen wird, die zu der Hofstelle gehörenden Wohnräume aber in einem zu einem anderen Betrieb (Gastwirtschaft) gehörenden Gebäude liegen, das vorab übertragen wurde, sofern die Beteiligten von vorherein die Absicht hatten, beide Betriebe, wenn auch zeitlich versetzt, auf denselben Erwerber zu übertragen und die Landwirtschaft durch ihn fortführen zu lassen.

 

Normenkette

KostO § 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen 1 T 3571/99)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 5. April 2000 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 14.12.1992 hatte der Vater der Beteiligten dieser das Grundstück Flst. 75 (Wohnhaus mit Gastwirtschaft, Hofraum, Parkplatz) zu 1 692 qm übergeben. Die Grundstücke Flst. 75/1, 2 und 3, auf denen sich die landwirtschaftlichen Betriebsgebäude, wie Stallungen, Scheune, Schuppen etc. befinden, grenzen unmittelbar hieran an. Mit notariellem Vertrag vom 28.7.1998 übergab der Vater auch diese Grundstücke zusammen mit weiterem land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz an die Beteiligte.

Für die Beurkundung der Übergabe vom 28.7.1998 hat der Notar der Beteiligten mit Kostenrechnung vom 30.12.1998 einen Betrag von 6 668,26 DM in Rechnung gestellt, wobei er der Berechnung den Verkehrswert der Grundstücke zugrunde legte.

Hiergegen hat die Beteiligte Beschwerde erhoben, mit der sie eine Berechnung auf der Grundlage des vierfachen Einheitswertes erreichen wollte. Der Notar vertrat demgegenüber die Auffassung, daß die Vergünstigung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 KostO hier nicht zur Anwendung gelangen könne, da keine vollständige Hofstelle übergeben worden sei.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 5.4.2000 die Kostenberechnung aufgehoben und den Notar angewiesen, unter Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO den Geschäftswert der Beurkundung abweichend zu ermitteln.

Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde wendet sich der beteiligte Notar gegen die Entscheidung des Landgerichts. Eine Hofstelle sei nur dann mitüberlassen im Sinne des § 19 Abs. 4 KostO, wenn sich auch die Wohnung der Bauersleute in ihr befinde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 156 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 KostO) ist sachlich nicht begründet. Der Notar hätte bei der Kostenberechnung die Sonderregelung des § 19 Abs. 4 KostO anwenden müssen. Zutreffend hat das Landgericht die Auffassung vertreten, es sei mit Vertrag vom 28.7.1998 ein leistungsfähiger Betrieb mit Hofstelle im Sinn des § 19 Abs. 4 KostO übergeben worden, wobei die bereits 1992 übereignete Wohnung nur einen untergeordneten Teil des gesamten Betriebs dargestellt habe.

1. Die Privilegierung des § 19 Abs. 4 KostO sieht für Geschäfte, welche die Fortführung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes mit Hofstelle betreffen, die Bewertung des land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem Vierfachen des letzten Einheitswerts vor. Sie soll aus agrarpolitischen Gründen eine frühzeitige Regelung der Hofnachfolge fördern und der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe dienen, die vielfach seit Generationen in der Hand bäuerlicher Familien geführt werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes des Bundesrates BT-Drucks. 11/2343 S. 6 re. Sp. u.).

Daher ist für die Anwendung des Privilegs gemäß § 19 Abs. 4 KostO eine Hofstelle erforderlich, die in aller Regel der bäuerlichen Familie auch Wohnung bietet (BayObLGZ 1992, 231/233, noch weitergehend Faßbender, Das Kostenprivileg der Landwirtschaft, Rn. 86, der fordert, daß ein ausreichendes Wohngebäude stets vorhanden sein müsse). Von der Hofstelle aus muß der Grund und Boden bewirtschaftet werden (vgl. auch Wöhrmann/Stöcker Das Landwirtschaftserbrecht 5. Aufl. § 1 Rn. 39). Grundbesitz und Hofstelle müssen eine wirtschaftliche und organisatorische Einheit bilden (Korintenberg/Bengel KostO 14. Aufl. § 19 Rn. 76 und 77). Der Betrieb muß zudem leistungsfähig sein, also jedenfalls den Unterhalt einer bäuerlichen Familie ganz oder teilweise sichern können (BayObLGZ 1992, 231/233).

2. Nach diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall von der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle auszugehen. Es genügt, daß der Beteiligten der landwirtschaftliche Betriebe als vollständige Wirtschaftseinheit übergeben wurde und sie im Ergebnis, wie von vornherein von den Vertragspartnern beabsichtigt, im Besitz einer vollständigen Hofstelle einschließlich der Wohnräume ist, auch wenn die Wohnräume im Rahmen der Übergabe der Gastwirtschaft bereits früher übertragen worden war.

a) Nach Auffassung des Senats wäre es mit dem Zweck der in § 19 Abs. 4 KostO enthaltenen Privilegierung nicht vereinbar, wollte man im vorliegenden Fall nur deshalb die Übergabe eines vollständigen Betriebs verneinen, weil bereits früher das Wohngebäude mit der Gastwirt...

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