Entscheidungsstichwort (Thema)
Todeserklärung. Verschollenengesetz
Leitsatz (amtlich)
Zum Verschollenenheitsbegriff im Sinne des § 1 VerschG.
Normenkette
VerschG §§ 1, 7, 16, 18
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 07.06.1999; Aktenzeichen 2 T 134/99) |
AG Passau (Beschluss vom 16.04.1999; Aktenzeichen 3 UR II 22/99) |
Tenor
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Passau vom 16. April 1999 und des Landgerichts Passau vom 7. Juni 1999 werden aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht Passau zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 5.2.1999 beantragte die Antragstellerin, ihren 1940 in Tschechien geborenen Vater für tot zu erklären. Dieser habe bei ihr gewohnt. Er sei erheblich alkoholkrank und schwer depressiv gewesen. Er habe immer wieder die Absicht geäußert, Selbstmord zu begehen. Am 2.4.1992 habe er die gemeinsame Wohnung verlassen. Er habe einen Fernsehapparat, ein Videogerät sowie einen Koffer mit persönlichen Papieren mitgenommen und sei seitdem spurlos verschwunden. Die aufgrund einer Vermißtenmeldung vom 5.4.1992 angestellten Nachforschungen der Polizei seien erfolglos geblieben. Da seit nunmehr nahezu sieben Jahren von dem Vermißten kein Lebenszeichen mehr vorliege, sei davon auszugehen, daß er Selbstmord begangen habe.
Mit Beschluß vom 16.4.1999 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht am 7.6.1999 zurückgewiesen. Gegen diesen am 11.6.1999 zugestellten Beschluß richtet sich die beim Landgericht am 25.6.1999 eingegangene sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige (§ 26 VerschG, §§ 27, 29 FGG) Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, Voraussetzung für eine Todeserklärung sei, daß die für tot zu erklärende Person verschollen ist. Gemäß § 1 Abs.1 VerschG sei verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt sei, ohne daß Nachrichten darüber vorlägen, ob er in dieser Zeit noch gelebt habe oder gestorben sei, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet würden. Daß ernstliche Zweifel an dem Fortleben des Vermißten bestünden, könne nicht angenommen werden. Zwar gebe es von ihm keine Nachrichten. Nach den Umständen seien jedoch hierdurch keine ernstlichen Zweifel an seinem Fortleben begründet. Der Vermißte habe zwar gegenüber verschiedenen Personen Selbstmordgedanken geäußert; er habe sogar angekündigt, er werde mit dem Auto in die Donau fahren, wobei er sich eine Stelle ausgesucht habe. Gegen die geäußerten Selbstmordabsichten spreche jedoch, daß der Vermißte seinen Aktenkoffer mit verschiedenen Papieren, den Fernseher sowie den Videorecorder mitgenommen habe. Da der Vermißte zudem gegenüber einem Zeugen geäußert habe, er gehe dorthin, wo er hergekommen sei, bestehe auch die Möglichkeit, daß er sich nach Tschechien abgesetzt habe.
2. Der Senat vermag den Erwägungen der Vorinstanzen aus Rechtsgründen nicht zu folgen (§ 27 Abs.1 ZPO, § 550 ZPO).
a) Zutreffend ist das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, daß nur für tot erklärt werden kann, wer verschollen ist. Was unter „verschollen” zu verstehen ist, bestimmt sich nach der in § 1 VerschG niedergelegten Begriffsbestimmung (vgl. BGHZ 3, 130/233; BayObLGZ 1964, 17/19).
b) Die Vorinstanzen haben den gestellten Antrag nicht als unzulässig verworfen und sind sonach davon ausgegangen, daß die Erfordernisse der §§ 16, 18 VerschG erfüllt sind. Dem ist beizupflichten. Insbesondere hat die Antragstellerin, wie es § 18 VerschG vorschreibt, die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen glaubhaft gemacht. Ob die Voraussetzungen für eine Todeserklärung (hier nach §§ 1 und 7 VerschG) tatsächlich vorliegen, ist von Amts wegen (§ 12 FGG) zu ermitteln (BGH JR 1951, 284; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 1295/1296; Keidel/Kayser FGG 14.Aufl. § 12 Rn.102).
c) Die Vorinstanzen sind – ohne weitere Ermittlungen angestellt zu haben – zu dem Ergebnis gekommen, es könne nicht angenommen werden, daß der seit dem 2.4.1992 verschwundene Vater der Antragstellerin verschollen sei. Einer solchen Annahme stehe entgegen, daß dieser seinerzeit ein Fernseh- und Videogerät sowie seine Papiere mitgenommen und einem Bekannten gegenüber geäußert habe, er werde dorthin gehen, wo er herkomme. Mit dieser Begründung läßt sich die vom Landgericht bestätigte Entscheidung des Amtsgerichts nicht aufrecht erhalten. Sie reicht nicht aus, um darzutun, daß ernstliche Zweifel am Fortleben des Vermißten nicht bestehen (vgl. § 1 Abs.1 VerschG). Ernstliche Zweifel am Fortleben eines Menschen liegen vor, wenn sein Tod für einen vernünftig Denkenden mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Fortleben (BayObLGZ 1951, 572; OLG Freiburg NJW 1951, 661).
Die Vorinstanzen haben sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob angesichts der von der Antragstellerin glaubhaft gemachten ...