Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasspflegschaft
Leitsatz (redaktionell)
Ist der Nachlaßpfleger wie hier mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses betraut, so gehört es insbesondere zu seinen Pflichten, den Nachlaß zu erhalten und zu verwalten sowie die Vermögensinteressen der künftig festzustellenden Erben wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang kann er aus Mitteln des Nachlasses und unter Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung Verbindlichkeiten des Nachlasses erfüllen, wenn dies zur Erhaltung des Nachlaßwertes geboten ist, etwa um unnötige Prozesse und Kosten zu vermeiden. Er darf den Nachlaß nicht der Gefahr eines aussichtslosen, mit Kosten verbundenen Rechtsstreits aussetzen. Dem Nachlaßpfleger ist es daher nicht verwehrt, jedenfalls zeitlich begrenzt für die voraussichtliche Dauer der Nachlaßpflegschaft zur Vermeidung eines kostspieligen Prozesses den Verzicht auf die Einrede der Verjährung gegen eine Nachlaßverbindlichkeit zu erklären..
Normenkette
BGB § 1960
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 11.07.1996; Aktenzeichen 2 T 4386/96) |
AG Miesbach (Aktenzeichen VI 717/91) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 11. Juli 1996 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Beschwerde der Beteiligten zu 2 nicht verworfen, sondern zurückgewiesen wird.
II. Die Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 1 sowie den Beteiligten zu 3 bis 15 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am 3.12.1991 kinderlos verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 2 im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Die Beteiligten zu 3 bis 15 sind Abkömmlinge von Geschwistern des Erblassers und als solche gesetzliche Erben. Im Nachlaßverfahren hat die Beteiligte zu 2 ein Testament vorgelegt, nach dem sie zur Alleinerbin eingesetzt ist, und einen entsprechenden Erbschein beantragt. Nach den vom Nachlaßgericht erholten Sachverständigengutachten soll dieses Testament jedoch nicht vom Erblasser stammen. Die Beteiligte zu 2 hat inzwischen ihren ursprünglichen Erbscheinsantrag zurückgenommen und beantragt nunmehr, ihr einen Teilerbschein zu erteilen, der sie als Erbin kraft Gesetzes zu 3/4 ausweisen soll. Auf Klage der Beteiligten zu 8 hat das Landgericht die Beteiligte zu 2 mit Urteil vom 12.10.1994 wegen Testamentsfälschung für erbunwürdig erklärt. Über die Berufung gegen dieses Urteil ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 23.11.1994 beantragte die Beteiligte zu 2 im Hinblick auf eine mögliche Verjährung von Zugewinnausgleichs-, Pflichtteils- und Bereicherungsansprüchen, die ihr im Falle einer Erbunwürdigkeit gegen den Nachlaß zustünden, die Bestellung eines Nachlaßpflegers. Das Nachlaßgericht ordnete am 24.11.1994 Nachlaßpflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben an und bestellte den Beteiligten zu 1 zum Nachlaßpfleger.
Im Zusammenhang mit Vergleichsverhandlungen zwischen der Beteiligten zu 2 und den Beteiligten zu 3 bis 15 hatte der Nachlaßpfleger zunächst darauf verzichtet, gegenüber eventuellen Ansprüchen der Beteiligten zu 2 auf Ausgleich des Zugewinns die Einrede der Verjährung zu erheben, und zwar zunächst bis 30.6.1996. Diesen Verzicht hat er im Einvernehmen mit den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 bis 15 mit Schreiben vom 18.6.1996 bis 30.7.1996 und mit Schreiben vom 11.7.1996 nochmals bis 31.8.1996 verlängert, im übrigen aber darauf hingewiesen, daß Zugewinnausgleichsansprüche von dem ihm übertragenen Wirkungskreis nicht erfaßt seien und daher eine Verlängerung des Verzichts nur im Einvernehmen mit den Verfahrensbevollmächtigten der gesetzlichen Erben in Betracht komme. Die Beteiligte zu 2 hat beim Nachlaßgericht beantragt, den Nachlaßpfleger anzuweisen, ihr gegenüber zu erklären, daß von seiner Seite die Einrede der Verjährung gegenüber ihren Ansprüchen auf Ausgleich des Zugewinns bis 30.6.1997 nicht erhoben werde, und diesen Verzicht entsprechend zu verlängern, soweit dies im Hinblick auf die ungeklärte Erbfolge geboten sei. Mit Schreiben vom 17.6.1996 hat ihr der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts mitgeteilt, daß er diesem Antrag nicht stattgeben könne. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 22.6.1996 Rechtsmittel eingelegt und vorsorglich beantragt, den Wirkungskreis des Pflegers entsprechend zu erweitern. Am 8.7.1996 hat der Rechtspfleger die Anträge der Beteiligten zu 2 durch förmlichen Beschluß zurückgewiesen. Auch hiergegen hat die Beteiligte zu 2 noch am gleichen Tag Rechtsmittel eingelegt. Rechtspfleger und Nachlaßrichter haben nicht abgeholfen. Mit Beschluß vom 11.7.1996 hat das Landgericht die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen die Verfügung vom 17.6.1996 und den Beschluß vom 8.7.1996 verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weiter...