Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschaftssteuer
Leitsatz (amtlich)
Gibt ein Gesellschafter seine letztwillige Verfügung in besondere amtliche Verwahrung, so wird davon die Gesellschaft an der er beteiligt ist, nicht berührt; die Gesellschaftssteuerrichtlinie findet demnach keine Anwendung.
Normenkette
BGB §§ 2258a, 2260
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 14.07.1999; Aktenzeichen 1 T 84/99) |
AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 1/96) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 14. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Am 27.4.1995 nahm das Amtsgericht das notarielle Testament der Mutter des Beteiligten (Erblasserin) in amtliche Verwahrung. Am 18.1.1996 erfolgte die Testamentseröffnung. Mit Kostenrechnung vom 11.5.1998 setzte das Amtsgericht – ausgehend von einem Geschäftswert von 13.459.413 DM – die Gebühren auf 4.355 DM und 8.710 DM = 13.065 DM fest. Als Geschäftswert legte es den Wert des Nachlasses zugrunde. Zum Nachlaß gehört u. a. die Beteiligung an einer Gesellschaft.
Die Erinnerung des Beteiligten wies das Amtsgericht am 30.3.1999 zurück. Seine Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 14.7.1999 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit der weiteren Beschwerde, die das Landgericht zugelassen hat. Er macht geltend, der Geschäftswert dürfe nicht nach dem Wert des Nachlasses ermittelt werden. Dies verstoße gegen die Grundsätze der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 2.12.1997 (ZIP 1998, 206). Die Höhe der Gebühren steige unmittelbar und unbegrenzt im Verhältnis zu dem ermittelten Geschäftswert. Ihre Höhe liege im Regelfall in einem krassen Mißverhältnis zu den Kosten der konkreten Gegenleistung. Es handele sich um Abgaben ohne Gebührencharakter, für die das Verbot des Art. 10 der Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der EG vom 17.7.1996 (69/335/EWG i.d.F. der Richtlinie vom 10.6.1985, 85/303/EWG) unmittelbar gelte. Die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs, daß die Gebühr allein auf der Grundlage der Kosten berechnet werden müsse, gelte nicht nur für Handelsregistereintragungen, sondern generell.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde (§ 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 KostO) ist unbegründet. Der Kostenansatz ist nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde wendet sich lediglich dagegen, daß der volle Wert des Nachlasses als Geschäftswert angesetzt wurde. Dieser Einwand greift aber nicht durch.
1. Die hier zu beurteilenden Sachverhalte fallen nicht unter die EG-Gesellschaftssteuerrichtlinie.
a) Die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 (69/335/EWG i.d.F. der Richtlinie vom 10.6.1985, 85/303/EWG) – abgedruckt bei Lutter Europäisches Unternehmensrecht 4. Aufl. S. 791 – hatte zum Ziel, die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital, die unter anderem wegen ihrer Unterschiedlichkeit den freien Kapitalverkehr behinderten, zu harmonisieren. Die Richtlinie wendet sich an Kapitalgesellschaften (Art. 3 Abs. 1), denen Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristische Personen gleichgestellt werden, die einen Erwerbszweck verfolgen (Abs. 2). Sie enthält eine Aufzählung der Vorgänge, die der Gesellschaftssteuer unterliegen (Art. 4), sowie die Fälle, in denen unter Angabe der Bemessungsgrundlage die Steuer erhoben wird (Art. 5); ferner in Art. 7 die Festsetzung gemeinsamer Steuersätze. Schließlich bestimmt Art. 10 Buchst. c, daß, abgesehen von der Gesellschaftssteuer, die Mitgliedsstaaten von Kapitalgesellschaften keine anderen Steuern oder Abgaben auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität erheben, denen die Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann. Einschränkend hierzu ist es nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. e gestattet, für Eintragungen Abgaben mit Gebührencharakter zu erheben (vgl. BayObLGZ 1998, 303/306).
b) Die Gesellschaftssteuerrichtlinie findet hier keine Anwendung, da sie nur für Gesellschaften gilt (BayObLGZ aaO). Bei den vorliegenden Geschäften handelt es sich nicht um Angelegenheiten, die eine Gesellschaft betreffen. Gibt ein Gesellschafter seine letztwillige Verfügung in besondere amtliche Verwahrung (§ 2258a BGB), so wird davon die Gesellschaft, an der er beteiligt ist, nicht berührt. Das Gleiche gilt für die Eröffnung eines Testaments gemäß § 2260 BGB. Es handelt sich um private Angelegenheiten des Erblassers bzw. der Erben.
2. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 2.12.1997 (ZIP 1998, 206) auch keinen allgemeinen Grundsatz dahin aufgestellt, daß die Mitgliedsstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürfen, die über die Kosten für die jeweilige Leistung hinausgehen. Zwar hat der Gerichtshof solche Abgaben als Steuern qualifiziert und verboten, weil die Richtlinie in Art. 10 die Erhebung von Steuern – ausgenommen die Gesellschaftssteuer – verbietet. Die Entscheidung vom 2.12.1997 beschränkt sich aber ebenso wie die vom 29.9.1999 (ZIP 1999, 1681/1683) auf...