Leitsatz (amtlich)
1. Der Familienname des vor Inkrafttreten (1.7.1993) des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.6.1993 geborenen nichtehelichen Kindes einer türkischen Staatsangehörigen ist nach Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen nur dann nach dem gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden türkischen Recht zu beurteilen, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes keine andere Rechtswahl getroffen hat.
2. Art. 10 Abs. 6 EGBGB a.F. ist als Rechtswahlvorschrift auszulegen. Die Ausübung der Rechtswahl obliegt dem gesetzlichen Vertreter.
3. Betrifft ein Verfahren gemäß § 45 PStG die Feststellung bzw. Änderung des Familiennamens eines nichtehelichen Kindes, so hat das Gericht den Amtspfleger als gesetzlichen Vertreter am Verfahren zu beteiligen.
4. Im Verfahren gemäß § 45 PStG darf das Gericht den Amtspfleger eines nichtehelichen Kindes auch dann nicht zur Vornahme einer Amtshandlung anweisen, wenn die Beantwortung der vom Standesbeamten vorgelegten Zweifelsfrage von einer Amtshandlung des Amtspflegers abhängt.
Normenkette
PStG §§ 21, 30, 45; EGBGB Art. 4, 6, 10 Abs. 1, 4; EGBGB a.F. Art. 10 Abs. 6; GG Art. 6, 103 Abs. 1; BGB §§ 1600a, 1630, 1706 Nr. 1, § 1709 Abs. 1 S. 1, § 1837 Abs. 2 S. 1; FGG § 12; türkIPRG Art. 17; türkZGB Art. 312
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 14.03.1995; Aktenzeichen 30 T 2877/94) |
AG Landshut (Beschluss vom 31.10.1994; Aktenzeichen UR III 16/94) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 werden die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 14. März 1995 und des Amtsgerichts Landshut vom 31. Oktober 1994 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Landshut zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Im Geburtenbuch des Standesamts ist das am 20.5.1993 nichtehelich geborene Kind eingetragen. Seine Mutter ist die ledige Beteiligte zu 1, eine türkische Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Der Beteiligte zu 3, ein deutscher Staatsangehöriger, hat am 5.8.1993 mit Zustimmung des Amtspflegers zu öffentlicher Urkunde vor dem Kreisjugendamt die Vaterschaft anerkannt. Das Kind lebt bei der Mutter.
Der Standesbeamte hat Zweifel, ob das Kind infolge der Vaterschaftsanerkennung unter Anwendung seines türkischen Heimatrechts den Familiennamen des Vaters erhalten habe oder, ob es unter Anwendung deutschen Rechts den Namen seiner Mutter weiterführe. Er hat gemäß § 45 Abs. 2 PStG eine gerichtliche Entscheidung beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 31.10.1994 angeordnet, das Geburtenbuch durch Beschreibung eines Randvermerks dahin zu „berichtigen”, daß das Kind den Namen des Vaters als Familiennamen führe.
Gegen diesen, ihnen am 9. bzw. 14.11.1994 zugestellten Beschluß haben die Beteiligte zu 1 sowie die Standesamtsaufsicht (Beteiligter zu 2) am 17. bzw. 15.11.1994 jeweils sofortige Beschwerde eingelegt. Die Mutter will erreichen, daß das Kind ihren Familiennamen weiterführt. Demgegenüber erstrebt der Beteiligte zu 2 eine obergerichtliche Bestätigung dahin, daß das Kind unter Anwendung türkischen Rechts den Namen des Vaters zu führen habe.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 14.3.1995 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben (Nr. I) und das Kreisjugendamt angewiesen, gegenüber dem zuständigen Standesbeamten eine Erklärung abzugeben, „daß für die namensrechtliche Folge das für die Belange des betroffenen Kindes günstigere Recht zur Anwendung kommt” (Nr. II). Im übrigen hat es die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen (Nr. III).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. Die Beteiligte zu 1 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:
Das nichtehelich geborene Kind habe infolge der Vaterschaftsanerkennung, die sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht wirksam sei, den Familiennamen seiner Mutter weiterzuführen.
Da das Kind mit der Geburt die Staatsangehörigkeit seiner Mutter erworben habe, sei nach Maßgabe des deutschen internationalen Privatrechts das türkische Recht einschließlich des türkischen internationalen Privatrechts anzuwenden. Letzteres enthalte für die Namensführung keine Kollisionsnorm. Diese Lücke sei durch Auslegung zu schließen. Hierbei komme einerseits eine sinngemäße Anwendung der türkischen Kollisionsnorm in Betracht, welche für die persönlichen Beziehungen zwischen einem nichtehelichen Kind und dessen Vater die Anwendung des Heimatrechts des Vaters festlege mit der Folge, daß das Kind den Familiennamen der Mutter weiterzuführen habe. Andererseits komme aus dem Blickwinkel einer Rückverweisung die Anwendung des materiellen türkischen Namensrechts in Betracht mit der Folge, daß das Kind den (deutschen) Familiennamen des Vaters zu führen hätte.
Ei...