Leitsatz (amtlich)

1. Ein Vormundschaftsgericht, das ein Amtspflegschaftsverfahren an ein anderes Vormundschafstgericht aus wichtigem Grund abgeben will, hat vor der Anrufung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts eine Stellungnahme des anderen Gerichts auch dann einzuholen, wenn der Amtspfleger seine Zustimmung zur Abgabe verweigert.

2. Vorlage eines Abgabestreits durch den Rechtspfleger.

 

Normenkette

FGG § 46; RPflG § 3; RpflG § 4; BGB §§ 1706, 1709; SGB VIII § 87c

 

Verfahrensgang

AG Schwandorf (Aktenzeichen A VIII 47/82)

 

Tenor

Eine Entscheidung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I.

Für den im Jahr 1980 in Burglengenfeld ehelich geborenen Pflegling besteht seit 21.5.1982 Amtspflegschaft, da er laut Endurteil des Amtsgerichts M. vom 6.5.1982 von dem (inzwischen geschiedenen) Ehemann der Mutter nicht abstammt. Amtspfleger ist das Kreisjugendamt Schwandorf.

Die Aufsicht über die Amtspflegschaft führt das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Schwandorf, Zweigstelle Burglengenfeld, in dessen Bezirk die Mutter ihren Wohnsitz hat. Der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts möchte das Verfahren aus wichtigem Grund an das Amtsgericht Hersbruck abgeben, da sich der Pflegling – der zunächst bei seiner Mutter gelebt hatte – seit 1992 in einer Anstalt im Bezirk des Amtsgerichts Hersbruck aufhält.

Der Amtspfleger hat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Abgabe verweigert. Daraufhin hat der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts Schwandorf beim Bayerischen Obersten Landesgericht eine Entscheidung gemäß § 46 Abs. 2 FGG beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung zuständig (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG), weil das Amtsgericht Schwandorf, das eine Abgabe beabsichtigt, und das Amtsgericht Hersbruck, an das abgegeben werden soll, ihren Sitz in verschiedenen bayerischen Landgerichtsbezirken haben (vgl. BayObLGZ 1989, 1/3).

2. Der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts ist im Rahmen seiner funktionellen Zuständigkeit zur Vorlage gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 FGG befugt (§ 4 Abs. 1, 2 RPflG; vgl. BayObLGZ 1993, 7/8; auch BayObLG FamRZ 1989, 1317; Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. Rn. 4 m.w.N., Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. Rn. 7, jeweils zu § 46 FGG). Gegenstand des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens, das abgegeben werden soll, ist die Aufsichtsführung über eine Amtspflegschaft (§§ 1706, 1709 Abs. 1 Satz 1, § 1915 Abs. 1, § 1837 Abs. 1 bis 3 BGB). Diese fällt in die alleinige funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 2a RPflG; Bassenge/Herbst § 14 RPflG Rn. 21).

3. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG kann im vorliegenden Fall nicht ergehen, weil das Amtsgericht Hersbruck bisher weder um eine Übernahme der Sache ersucht worden ist noch ein solches Ersuchen abgelehnt hat.

a) Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG kann das Vormundschaftsgericht eine Pflegschaft aus wichtigen Gründen an ein anderes Vormundschaftsgericht abgeben, wenn sich dieses zur Übernahme bereit erklärt und der Pfleger hierzu seine Zustimmung erteilt. Einigen sich die Gerichte nicht, oder verweigert der Pfleger seine Zustimmung, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG).

b) Im vorliegenden Fall hat bisher nur der Amtspfleger die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG erforderliche Zustimmung zur Abgabe gegenüber dem Vormundschaftsgericht Schwandorf verweigert (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG). Es fehlt die Beteiligung des Amtsgerichts Hersbruck, an das die Sache aus wichtigen Gründen abgegeben werden soll. Das abgebende Gericht hat vor der Anrufung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts nicht nur vollständige Ermittlungen zu den Abgabegründen durchzuführen und die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG Zustimmungsberechtigten anzuhören (BayObLGZ 1971, 32/33), sondern außerdem das Gericht zu beteiligen, an das abgegeben, werden soll (vgl. BayObLG NJW 1992, 1633/1634; Keidel/Kuntze Rn. 15 m.w.N., Jansen FGG 2. Aufl., Rn. 22, Bassenge/Herbst Rn. 7, jeweils zu § 46 FGG; a.A. LG Ansbach Rpfleger 1994, 23/24 zu § 65a FGG). Denn das gemeinschaftliche obere Gericht kann nur eines der beteiligten Gerichte als zuständig bestimmen (vgl. BayObLGZ 1986, 433/435). Ein Gericht, an das ein Verfahren abgegeben werden soll, muß hiervon vorher Kenntnis sowie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

4. Aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit weist der Senat darauf hin, daß wichtige Gründe für eine Abgabe gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGG (vgl. dazu BayObLGZ 1993, 7/8 m.w.N.) nicht erkennbar sind.

Zwar wird die örtliche Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts für die Führung der Amtspflegschaft (§§ 1706, 1709 Abs. 1 Satz 1, § 1915 Abs. 1, § 1837 Abs. 1 bis 3 BGB) grundsätzlich durch den Wohnsitz des Pfleglings bestimmt (§ 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 FGG), und zwar auch dann, wenn sich die Nichtehelichkeit – wie hier – erst nachträglich ergibt (§ 1791c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1915 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Diederichse...

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