Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Rückübertragungsansprüche, die sich auf Grundstücksenteignungen vor dem Erbfall stützen, entstehen, wenngleich erst nach dem Tode des Erblassers und damit nicht in seiner Person, sondern originär in der Person des Rechtsnachfolgers.
2. Da sich der Wert der Rückübertragungsansprüche aus den Vorschriften der KostO nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Beziehungswert ist der Wert der in der früheren DDR gelegenen, schon vor dem Erbfall enteigneten Grundstücke, deren Rückübertragung nach dem VermG angestrebt ist.
Normenkette
KostO § 30 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 28.03.1995; Aktenzeichen 4 T 1626/94) |
AG Memmingen (Beschluss vom 03.08.1994; Aktenzeichen VI 70/78) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des Landgerichts Memmingen vom 28. März 1995 und des Amtsgerichts Memmingen vom 3. August 1994 werden aufgehoben.
II. Der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen (Rechtspflegerin) vom 28.Juni 1994 wird dahin abgeändert, daß der Geschäftswert für die Erteilung des „Ergänzungserbscheins” vom 20.April 1994 auf 690 000 DM festgesetzt wird.
III. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Amtsgerichts Memmingen (Rechtspflegerin) vom 28.Juni 1994 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
1. Am 17.8.1978 erteilte das Amtsgericht einen Erbschein, nach dem der 1978 verstorbene Erblasser von seiner Witwe, der Beteiligten allein beerbt worden ist. Der Erblasser war (auch) Eigentümer zweier in der ehemaligen DDR gelegener Grundstücke gewesen, die schon zu Lebzeiten des Erblassers enteignet worden waren. Die Beteiligte erhebt insoweit Restitutionsansprüche aufgrund des Vermögensgesetzes vom (VermG).
Auf Antrag der Beteiligten erließ das Amtsgericht am 20.4.1994 einen Beschluß, wonach bezeugt wird, daß sich der Erbschein vom 14.1.1978 in Anwendung des ZGB der ehemaligen DDR auch auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlaß i.S. des § 25 Abs.2 DDR-Rechtsanwendungsgesetz vom 5.12.1975 erstrecke.
2. Mit Beschluß vom 28.6.1994 setzte die Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts den Geschäftswert für die Erteilung des „beschränkten Erbscheins” auf 543 608 DM fest. Die Rückübertragungsansprüche seien den Grundstückswerten im Zeitpunkt des Erbfalls gleichzusetzen. Diese Werte seien durch Zugrundelegung der Verkehrswerte 1991 und Abzug der bundesdeutschen Preissteigerungsraten seit 1978 zu ermitteln.
Gegen die Geschäftswertfestsetzung des Amtsgerichts legte die Beteiligte Beschwerde ein. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 107 Abs.2 Satz 1 KostO sei für die Erteilung des Erbscheins der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend. Beim Tod des Erblassers sei dieser Wert „null” gewesen, da dem Erblasser das Eigentum an den Grundstücken bereits entzogen gewesen sei. Die Restitutionsansprüche nach dem VermG seien nicht in den Nachlaß gefallen, da sie erst mit Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29.9.1990 entstanden seien.
Der Richter am Nachlaßgericht teilte diese Rechtsauffassung und setzte den Geschäftswert für die Erteilung des beschränkten Erbscheins unter Aufhebung des Beschlusses vom 28.6.1994 auf 0 – 500 DM fest.
Gegen diese Entscheidung legte nunmehr die Staatskasse Beschwerde ein.
Das Landgericht hat die Beschwerde der Staatskasse mit Beschluß vom 28.3.1995 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.
3. Mit ihrer weiteren Beschwerde erstrebt die Staatskasse die Wiederherstellung der Wertfestsetzung im amtsgerichtlichen Beschluß vom 28.6.1994. Der Restitutionsanspruch sei auf jeden Fall ein Surrogat des untergegangenen Eigentums des Erblassers und damit dem Nachlaß zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die zulässige (§ 31 Abs.3 Satz 1, § 14 Abs.3 Satz 2, Abs.4 KostO) weitere Beschwerde der Staatskasse ist begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der im Hinblick auf die angenommene Nachlaßspaltung erteilte „Ergänzungserbschein” vom 20.4.1994, der bezeugt, daß sich der Erbschein vom 17.8.1978 in Anwendung des ZGB der ehemaligen DDR auch auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlaß i.S. des § 25 Abs.2 DDR-RAG erstreckt, ist in entsprechender Anwendung des § 107 Abs.2 Satz 3 KostO nach dem Wert der Nachlaßgegenstände, auf die er sich beziehen soll und konnte, zu bewerten (vgl. KG ZEV 1994, 314). Das sind hier, da die Grundstücke nach den das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts bereits vor dem Tode des Erblassers enteignet worden waren, die geltend gemachten Rückübertragungsansprüche nach § 3 VermG.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Rückübertragungsansprüche, die sich auf Grundstücksenteignungen vor dem Erbfall stützen, – wenngleich sie erst nach dem Tode des Erblassers und damit nicht in seiner Person, sondern originär in der Person des Rechtsnachfolgers entstanden sind (BGH NJW 1993, 2176/2177; Palandt/Heldrich BGB 54.Aufl. Art.25 EGBGB Rn.23; Limmer ZEV...