Leitsatz (amtlich)
Bestimmung des örtlich zuständigen Vormundschaftsgerichts in einem Abgabestreit, der die Übernahme eines Verfahrens zur Genehmigung der Unterbringung einer drogensüchtigen Minderjährigen betrifft, wenn zwischen dem Ort des bisher zuständigen Vormundschaftsgerichts und dem Ort der Unterbringung eine große Entfernung liegt.
Normenkette
FGG §§ 46, 65a, 70; BGB § 1631b
Verfahrensgang
AG Starnberg |
AG Berlin-Hohenschönhausen (Aktenzeichen 50 X 1040/97) |
Tenor
Das Amtsgericht Starnberg hat das Verfahren zu übernehmen.
Tatbestand
I.
Das 1982 geborene Mädchen ist die nichteheliche Tochter der Beteiligten zu 2. Es ist in Berlin aufgewachsen, wo auch seine Mutter lebt, und befand sich dort zuletzt in Heimen. Das Mädchen nimmt Drogen, ohne für die daraus entstehenden Gefahren Einsicht zu zeigen. Es besteht der dringende Verdacht, daß es zur Finanzierung der Drogen auch der Prostitution nachgeht.
Die Mutter hat das Mädchen ab dem 17.4.1998 in geschlossenen Einrichtungen untergebracht, zunächst in einem Berliner Krankenhaus, seit 6.5.1998 in einer Einrichtung in Gauting (Amtsgerichtsbezirk Starnberg). Das Amtsgericht Hohenschönhausen hat die Unterbringung in den Berliner Einrichtungen am 21.4.1998 vorläufig, am 24.4.1998 endgültig genehmigt und mit Beschluß vom 30.4.1998 auch der Unterbringung in Gauting bis längstens 4.8.1998 zugestimmt. Anschließend hat es die Sache mit Verfügung vom 25.5.1998 an das Amtsgericht Starnberg abgegeben. Dieses hat die Übernahme abgelehnt. Mit Beschluß vom 10.6.1998 hat das Amtsgericht Hohenschönhausen daraufhin die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Gegenstand des Verfahrens, das abgegeben werden soll, ist die Genehmigung und laufende Überwachung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung des minderjährigen Mädchens (§ 1631b FGG). Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hohenschönhausen ergibt sich, da bisher eine Vormundschaft oder Pflegschaft für das Mädchen nicht anhängig ist, aus § 70 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 65 Abs. 1 FGG. Das Abgabeverfahren richtet sich daher nach § 70 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 65a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGG (vgl. Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. § 70 Rn. 23).
2. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung zuständig, weil die am Abgabestreit beteiligten Vormundschaftsgerichte zu verschiedenen Bundesländern gehören und sich das Vormundschaftsgericht, an welches das Verfahren abgegeben werden soll, in Bayern befindet (§ 46 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 199 Abs. 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 3 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1992, 268/269).
3. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 46 Abs. 2 FGG liegen vor. Das Amtsgericht Hohenschönhausen möchte die Unterbringungssache an das Amtsgericht Starnberg abgeben (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGG). Die beiden Gerichte können sich jedoch nicht einigen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG). Die sorgeberechtigte Mutter hat sich geäußert und der Abgabe zugestimmt, das Mädchen ist angehört worden und hat der Abgabe nicht widersprochen.
4. Das Amtsgericht Starnberg hat das Verfahren zu übernehmen. Denn es liegen wichtige Gründe im Sinn des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGG für eine Abgabe vor.
a) Ob derartige Gründe gegeben sind, bestimmt sich nach Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kommt vor allem darauf an, ob das um Übernahme angegangene Gericht die Sache voraussichtlich leichter und zweckmäßiger führen kann, als dies bei Fortbestand der bisherigen Zuständigkeit möglich wäre. Maßgebend sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls (BayObLG FamRZ 1982, 1133 m.w.N.; vgl. auch BayObLGZ 1993, 7/8 und BayObLG FamRZ 1996, 1156). Dabei bildet ein Aufenthaltswechsel des Kindes zur Unterbringung in einem Heim außerhalb des Gerichtsbezirks des bisher tätigen Vormundschaftsgerichts für sich genommen noch nicht einen wichtigen Grund für die Abgabe; auch ist in der Regel nicht schon ausschlaggebend, daß der Vormundschaftsrichter das Kind anläßlich der Entscheidung über die Genehmigung persönlich anhören und zu diesem Zweck einmal eine größere Entfernung überwinden muß (BayObLG FamRZ 1982, 1133; MünchKomm/Hinz BGB 3. Aufl. § 631b Rn. 14). Anderes kann aber dann gelten, wenn mit einem längeren Aufenthalt des Kindes am neuen Aufenthaltsort und damit zu rechnen ist, daß eine häufigere Anhörung des Kindes im Rahmen des weiteren Verfahrens erforderlich sein wird (vgl. BayObLG a.a.O. m.w.N.).
b) Hier hat das Amtsgericht Hohenschönhausen bereits eine endgültige Entscheidung über die Genehmigung der Unterbringung getroffen und in diesem Rahmen die Mutter des Mädchens angehört. Das Mädchen lebte bereits in Berlin nicht bei seiner Mutter, sondern in Heimen. Eine enge Verbindung zur Mutter, die bei weiteren Entscheidungen im Rahmen der Unterbringung in näherer Zukunft erneute persönliche Anhörungen der Mutter erforderlich machen und daher gegen eine Abgabe sprechen könnte (vgl. Staudinger/Salgo BGB 12. Aufl. Rn. 33, MünchKomm/Hinz...