Leitsatz (amtlich)

1. Unter den Gerichtsstand des Erfüllungsorts des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ fallen neben Ansprüchen auf Erfüllung auch Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nicht- und Schlechterfüllung oder sonstiger Vertragsverletzung.

2. Daß der Beklagte die Vereinbarung eines Erfüllungsorts bestreitet, ist für die Frage der Zuständigkeit ohne Belang, da es im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ allein auf den unstreitigen Sachverhalt und den streitigen Klagevortrag ankommt (im Anschluß an OLG Köln NJW 1988, 2182f).

3. Nach der Erfüllung des Vertrages ist dertatsächliche Erfüllungsort maßgebend, wenn der Gläubiger die Leistung an diesem Ort als vertragsgemäß angenommen hat.

 

Normenkette

EuGVÜ Art. 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Aktenzeichen 4 O 3140/00 (513))

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 10 O 3916/01)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht Osnabrück.

 

Gründe

I.

Beide Parteien sind im Fleischhandel tätig. Die in Nürnberg ansässige Klägerin kaufte bei der in Dänemark ansässigen Beklagten Fleisch, das am 22.5.1997 aus Frankreich in ein Kühlhaus der Klägerin im Landgerichtsbezirk Osnabrück angeliefert wurde, das nach dem Vortrag der Klägerin als Lieferort vereinbart worden sei. Die Klägerin behauptet, die gelieferte Ware sei mangelhaft gewesen, und begehrte von der Beklagten Schadensersatz. Mit der beim Landgericht Nürnberg-Fürth erhobenen Klage beantragt sie, die Beklagte zur Zahlung von 33 294,80 DM Hauptsache nebst Zinsen zu verurteilen. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht Nürnberg-Fürth sei aufgrund einer zwischen den Parteien geschlossenen Gerichtsstands Vereinbarung zuständig und stützt sich hierbei auf ihre Liefer- und Zahlungsbedingungen, die Vertragsbestandteil geworden seien. Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth, da nach ihrer Ansicht die Parteien die Zuständigkeit des dänischen See- und Handelsgerichts in Kopenhagen vereinbart hätten, was sich aus ihrer Auftragsbestätigung vom 20.5.1997 ergebe.

Nach einem Hinweis des Gerichts beantragte die Klägerin, den Rechtsstreit an das Landgericht Osnabrück zu verweisen.

Mit Beschluß vom 11.12.2000 verwies das Landgericht Nürnberg-Fürth den Rechtsstreit an das Landgericht Osnabrück, das mit Beschluß vom 2.5.2001 die Übernahme des Verfahrens ablehnte und den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwies.

Es begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Verweisungsbeschluß willkürlich sei, weil die Klägerin ein ihr zustehendes Wahlrecht bezüglich des zuständigen Gerichts wirksam ausgeübt habe. Eine Verweisung sei deshalb nicht mehr möglich gewesen. Beide Landgerichte haben den Parteien vor Erlaß der Verweisungsbeschlüsse jeweils rechtliches Gehör gewährt.

Mit Beschluß vom 1.6.2001 legte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO, § 9 EGZPO), denn die beteiligten Gerichte gehören einem bayerischen und einem außerbayerischen Oberlandesgerichtsbezirk an. Zuerst mit der Sache befaßt war das Landgericht Nürnberg-Fürth.

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Beide Landgerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Die Entscheidungen sind den Parteien bekannt gemacht worden.

3. Als zuständiges Gericht ist das Landgericht Osnabrück zu bestimmen.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die materiell-rechtlichen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) zu beachten. Regelmäßig ist daher das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluß gelangt ist; denn die Bindung durch den Verweisungsbeschluß wirkt im Bestimmungsverfahren fort (BayObLGZ 1985, 397/399).

Die gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird noch nicht dadurch in Frage gestellt, daß er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluß kann nur dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn ihm jede rechtliche Grundlage fehlt, so daß er objektiv willkürlich erscheint oder wenn er auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (vgl. BGHZ 102, 338/341; BayObLGZ 1993, 317/319; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 281 Rn. 17, 17 a m.w.N.).

b) Der Verweisungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.12.2000 ist bindend. Einer der genannten Ausnahmefälle, in denen aus rechtsstaatlichen Gründen ein Verweisungsbeschluß nicht als bindend angesehen wird, liegt nicht vor.

Die Beklagte hatte Gelegenheit, zu dem Verweisungsantrag der Klägerin Stellung zu nehmen (Art. 103 Abs. 1 GG).

Die Verweisung erfolgte auch nicht willkürlich. Ob die Rechtsansicht des Landgerichts Nürnberg-Fürth zutrifft, auf Gr...

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