Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Unbeschränkte Stimmrechtsvertretung in Eigentümerversammlung

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Entscheidung vom 24.03.1988; Aktenzeichen 4 T 154/88)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und des weiteren Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 24. März 1988 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner und der weitere Beteiligte haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage mit etwa 100 Wohnungen; der weitere Beteiligte ist der Verwalter.

Am 2.5.1987 beschlossen die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt (TOP) 5 mit vier Gegenstimmen:

Die Eigentümerversammlung beschließt, daß zur Ausübung des Stimmrechtes in Eigentümerversammlungen grundsätzlich nur Vollmachten erteilt werden können an Verwalter, Beiratsmitglieder, andere Wohnungseigentümer und direkte Familienmitglieder.

Die Antragstellerin hat am 2.6.1987 beim Amtsgericht beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat am 14.1.1988 dem Antrag entsprochen. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner und des weiteren Beteiligten hat das Landgericht am 24.3.1988 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und des weiteren Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel ist unbegründet, weil die Vertretung in der Eigentümerversammlung nicht durch Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer wirksam beschränkt werden kann.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer vom 2.5.1987 zu TOP 5 stelle eine Regelung des Verhältnisses der Wohnungseigentümer untereinander dar; die Regelung betreffe die „Grundordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft”, wie sie durch Teilungserklärung nach § 8 WEG, aber auch durch eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 WEG getroffen werden könne. Eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 WEG erfordere jedoch Einstimmigkeit. Unzutreffend sei die Argumentation, daß im Hinblick auf die Regelung des § 25 WEG ein Mehrheitsbeschluß für die Einschränkung der Vertretung bei Abstimmungen in der Eigentümerversammlung ausreichend sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist richtig:

a) Weder das Wohnungseigentumsgesetz noch die §§ 741 ff. BGB über die Gemeinschaft enthalten Bestimmungen darüber, ob und inwieweit sich Wohnungseigentümer bei Abstimmungen in der Eigentümerversammlung nach § 25 WEG vertreten lassen können. Daraus wird in Rechtsprechung und Literatur der Schluß gezogen, daß eine Stellvertretung grundsätzlich möglich ist (z. B. BayObLGZ 1981, 161/164, 220/224; BGHZ 99, 90/93; Weitnauer WEG 6. Aufl. Rn. 11, Bärmann/Pick WEG 6. Aufl. Rn. 19. Augustin WEG Rn. 20, jeweils zu § 25).

Ebenso ist aber auch eine Einschränkung dieser gesetzlichen Möglichkeit als Ausfluß der Vertragsfreiheit grundsätzlich erlaubt. Da hierdurch das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betroffen wird, ist zur Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG erforderlich (allg. Meinung, vgl. z. B. BGHZ 99, 90/94).

b) Im vorliegenden Fall enthält weder die Teilungserklärung im engeren Sinn noch Abschnitt IV, der die Gemeinschaftsordnung beinhaltet, Regelungen, die die Vertretung der Wohnungseigentümer bei den Abstimmungen in der Eigentümerversammlung einschränken. Wenn die Wohnungseigentümer eine solche Regelung nachträglich einführen wollen, bleibt ihnen nur der Weg einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, an der alle Wohnungseigentümer mitwirken müssen und die nach § 10 Abs. 2 WEG in das Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums eingetragen werden muß, wenn sie auch die Sondernachfolger der derzeitigen Wohnungseigentümer binden soll. Ein Mehrheitsbeschluß kann eine solche Vereinbarung nicht ersetzen und ist für eine Einschränkung der Vertretung nicht ausreichend (Weitnauer Rn. 12, Bärmann/Pick Rn. 18, Palandt/Bassenge BGB 47. Aufl. Anm. 2 a, jeweils zu § 25 WEG).

3. Das Landgericht hat den Antragsgegnern und dem weiteren Beteiligten gerichtliche und außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Das entspricht § 47 WEG und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint wegen der eindeutigen Rechtslage nach § 47 WEG die gleiche Kostenentscheidung angemessen.

Die mit dem Landgericht übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.

 

Unterschriften

Dr. H, D, Dr. R

 

Fundstellen

Dokument-Index HI544951

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