Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen die Fahrpersonalordnung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
Verfahrensgang
AG Kaufbeuren (Urteil vom 16.01.1996) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 16. Januar 1996 samt den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Kaufbeuren zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Kaufbeuren verurteilte den Betroffenen am 16.1.1996 wegen fahrlässigen Nichtmitsichführens einer Bescheinigung nach der Fahrpersonalverordnung zur Geldbuße von 100 DM. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Betroffene, der teilweise von seinem Arbeitgeber als Fahrer eingesetzt wurde, am 16.6.1995 nicht gearbeitet und am 19.6.1995 kein Kraftfahrzeug gesteuert. Am 20.6.1995 war er der Fahrer des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen … mit Anhänger – amtliches Kennzeichen … – und wurde auf der Bundesstraße 18 im Gemeindebereich Westerheim einer Verkehrskontrolle unterzogen. Dabei führte der Betroffene keine Bescheinigung mit sich, aus der sich ergab, daß er am 16. und 19.6.1995 keine Kraftfahrzeuge gelenkt hatte.
Der Betroffene beantragt die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist stattzugeben, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).
Das somit gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässige Rechtsmittel ist auch begründet.
Die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts tragen eine Verurteilung des Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 8 Nr. 1 lit. a FPersV nicht. Eine solche Ahndung kommt nach § 4 Abs. 1 FPersV nur in Betracht, wenn der Betroffene gemäß Art. 15 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3821/85 verpflichtet ist, Schaublätter zu verwenden und vorzulegen. Eine solche Pflicht besteht jedoch dann nicht, wenn das AETR anzuwenden ist (BayObLG VRS 86, 477). Im letzteren Fall kommt nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Nr. 1 lit. c FPersV in Betracht. Die Prüfung, ob die VO (EWG) Nr. 3821/85 oder das AETR Anwendung findet, bei der auch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 (BGBl 1993 II S. 267) in der durch das Anpassungsprotokoll vom 17.3.1993 (BGBl II S. 1295) geänderten Fassung, in Kraft getreten am 1.1.1994 (BGBl II S. 515), zu beachten ist, setzt die Kenntnis des gesamten Verlaufs der Fahrt voraus. Hierzu enthält das angefochtene Urteil lediglich die Angabe des Kontrollortes.
III.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das angefochtene Urteil samt den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache, die weiterer Feststellungen bedarf, wird an einen anderen Richter des Amtsgerichts Kaufbeuren zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG), der auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG durch Beschluß.
IV.
Für das weitere Verfahren wird bemerkt:
1. Kommt das Amtsgericht zu dem Ergebnis, daß die VO (EWG) Nr. 3821/85 grundsätzlich anzuwenden ist, so ist weiter zu prüfen, ob nicht ein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 1 FPersV vorliegt.
2. Der Tatbestand des § 8 Nr. 1 lit. a FPersV wird entgegen der Formulierung im angefochtenen Urteil nicht durch das Nichtmitführen einer Bescheinigung nach § 4 Abs. 1 FPersV verwirklicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Nr. 1 lit. a FPersV sind die Nichtvorlage einer Bescheinigung oder eines anderen geeigneten Nachweises und die Vorlage einer unrichtigen Bescheinigung bußgeldbewehrt.
3. Das Höchstmaß der Geldbuße ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 7 Abs. 2 FPersG, § 17 Abs. 2 OWiG.
4. Die vom Betroffenen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 8 Nr. 1 lit. a FPersV sind unbegründet.
a) Nach dieser Bestimmung sind Verstöße gegen § 4 Abs. 1 FPersV mit Geldbuße bedroht. Die Regelung über die Bestätigung arbeitsfreier Tage in der Fassung der Verordnung zur Änderung fahrpersonal- und straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23.7.1990 (VkBl 1990, 517) stützt sich auf § 2 Nr. 1 FPersG, eine den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechende Ermächtigungsgrundlage. Denn Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung sind in dieser Norm hinreichend bestimmt. Ihr Zweck ist ausreichend eingegrenzt, weil § 2 Nr. 1 FPersG festlegt, daß auf diese Bestimmung nur Verordnungen gestützt werden können, die der Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85 dienen. Auch ihr Inhalt und ihr Ausmaß sind im erforderlichen Maße bestimmt, weil in § 2 Nr. 1 FPersG einerseits die durch Rechtsverordnung regelbaren Bereiche sachlich festgelegt sind (lit. a – d), andererseits aber auch klargestellt ist (letzter Halbsatz), unter welcher Voraussetzung eine solche Regelung in Betracht kommt. Unerheblich ist, daß sich Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Ermächtigung nicht allein aus § 2 Nr. ...