Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das Fahrpersonalgesetz
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 27.11.1987) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 27. November 1987 samt den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 27.11.1987 verhängte das Amtsgericht München gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen täglichen Lenkzeit in Tateinheit mit vorsätzlicher Unterschreitung der Mindestruhezeit eine Geldbuße von 450,– DM.
Nach den Feststellungen des Urteils war der Betroffene am 19.5.1987 mit dem Lastzug … und … im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr eingesetzt. Auf der Fahrt von … über … nach … lenkte er das Fahrzeug, das ein zulässiges Gesamtgewicht von 43 Tonnen hat, ab 2.45 Uhr, obwohl er in den vorangegangenen 24 Stunden nur eine zusammenhängende Ruhezeit von maximal 6 Stunden und 45 Minuten hatte. Darüber hinaus überschritt er von 3.05 bis 16.15 Uhr die zulässige tägliche Lenkzeit von 8 Stunden um 2 Stunden und 15 Minuten.
In der Zeit vom 20.5.1987 1.00 Uhr bis 20.5.1987 19.00 Uhr überschritt er auf der Fahrt von … nach … die zulässige tägliche Lenkzeit von 8 Stunden um 5 Stunden. Am 21.5.1987 lenkte er das angeführte Fahrzeug ab 1.30 Uhr, obwohl er innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden nur eine zusammenhängende Ruhezeit von maximal 6 Stunden und 30 Minuten hatte.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
Ein Eingehen auf die Verfahrensbeanstandungen (vgl. hierzu § 16 Satz 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) ist nicht geboten, da schon die allgemeine Sachrüge durchgreift. Die bisherigen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
1. Das angefochtene Urteil läßt Ausführungen zu dem Weg vermissen, auf dem der Betroffene von … nach … fuhr. Die Angabe, ob er bei dieser Fahrt etwa ein Land, das Vertragspartei des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) ist, durchfuhr, ist jedoch gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3820/85 wesentlich für die Frage, ob die Bestimmungen des AETR oder der angeführten EWG-Verordnung zur Anwendung kommen.
Unterstellt, der Transport führte, was hier naheliegt, durch …, so ist auf die Fahrt gemäß Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3820/85 i.V.m. Art. 2 AETR das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals anzuwenden.
In diesem Fall darf nach Art. 7 Abs. 1 AETR bei der Benützung eines Lastzugs mit einem Gesamtgewicht von 43 Tonnen die tägliche Lenkzeit 8 Stunden nicht überschreiten, Davon geht hier auch das Amtsgericht zutreffend aus. Es legt im folgenden aber lediglich dar, der Betroffene habe die zulässige Lenkzeit um 2 Stunden und 15 Minuten überschritten. Diese Angabe läßt die gebotene Überprüfung nicht zu, ob das Amtsgericht von einem zutreffenden Begriff der täglichen Lenkzeit ausgegangen ist.
Wie die tägliche Lenkzeit im einzelnen zu berechnen ist, ist weder im AETR noch im Fahrpersonalgesetz und der VO (EWG) Nr. 3820/85, die die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr innerhalb des EWG-Gebiets regelt, bestimmt.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die tägliche Lenkzeit sei bei unterbrochenen Ruhezeiten die Zeit vom Ende einer Tagesruhezeit bis zum Anfang der nächsten (vgl. den Hinweis bei Lütkes/Meier/Wagner Straßenverkehr Leitzahl 19 VO (EWG) Nr. 3820/85 Art. 6 Anm. 3, die selbst allerdings diese Ansicht ablehnen). Nach anderer Meinung können bei Berechnung der täglichen Lenkzeit nur die Lenkzeitunterbrechungen, die zu einer Unterbrechung der ununterbrochenen Lenkzeit führen (Art. 8 Abs. 1b i.V.m. Abs. 2 AETR., Art. 7 VO (EWG) Nr. 3820/85), berücksichtigt werden (so OLG Düsseldorf JMBlNW 1984, 119 zu der damals geltenden VO (EWG) Nr. 543/69 Art. 7 Abs. 1).
Diesen Auffassungen vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Fiktion des Art. 8 Abs. 1b AETR, daß eine Lenkzeit als ununterbrochen gilt, wenn sie nicht für Zeiten unterbrochen wird, die mindestens den Bedingungen des Art. 8 Abs. 2 und 3 AETR entsprechen, gilt nämlich nur für den
Begriff der ununterbrochenen Lenkzeit. Dies folgt schon aus der Systematik des Gesetzes – in Art. 8 AETR ist ausschließlich die ununterbrochene Lenkzeit geregelt; Art. 7 AETR nimmt auf diese Bestimmung nicht Bezug – und der Entstehungsgeschichte dieser Fiktion (vgl. hierzu OLG Hamm VRS 64, 67/69).
Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung (BayObLG VRS 67, 230; BayObLG vom 15.3.1985 – 3 Ob OWi 25/85, vom 17.11.1986 – 3 Ob OWi 158/86 und vom 23.9.1987 – 3 Ob OWi 133/87 die Auffassung, daß zur täglichen Lenkzeit im Sinn des Art. 7 Abs. 1 AETR nur die Zeiten zu rechnen sind, während deren der Fahrer tatsächlich Dienst am Steuer leistet (so auch OLG Hamm a.a.O.; Lütkes/Meier/Wagner a.a.O.; Wolf Sozial Vorschriften für den Straßenverkehr – Stand 17.11...