Leitsatz (amtlich)

Wählt der Kläger im Mahnbescheidsantrag ein örtlich zuständiges Gericht, ist die Wahl des Gerichtsstands mit Zustellung des Mahnbescheids verbindlich. Nimmt der Kläger in der Anspruchsbegründung eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO vor, erstreckt sich die Bindungswirkung der Wahl der örtlichen Zuständigkeit auch auf die in der Anspruchsbegründung erweiterten Klageanträge.

 

Verfahrensgang

AG Coburg (Aktenzeichen 11 C 1945/19)

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 394/19)

LG Coburg (Aktenzeichen 15 O 145/23)

 

Tenor

(Örtlich) zuständig ist das Landgericht Coburg.

 

Gründe

I. Der im Bezirk des Landgerichts Berlin wohnhafte Kläger hat bei der Beklagten mit Sitz im Landgerichtsbezirk Coburg eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten jeweils zum 1. März 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 ausgesprochenen Beitragserhöhungen seien unwirksam. Es fehle jeweils an den materiellen Erhöhungsvoraussetzungen und an der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG. Ferner genügten die jeweiligen Mitteilungsschreiben nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. Der Kläger habe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beitragserhöhungen unwirksam seien. Außerdem könne er nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB und nach § 280 Abs. 1 BGB die Rückzahlung zuviel entrichteter Versicherungsprämien fordern. Die Beklagte sei zur Herausgabe der mit den zuviel gezahlten Prämien gezogenen Nutzungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB sowie zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet.

Der Kläger hat zunächst beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheids über eine Hauptforderung "Versicherungsprämie/-Beitrag - Versicherungsvertrag XXX vom 01.03.15 bis 01.08.19" in Höhe von 3.621,18 EUR sowie über Zinsen und Rechtsanwaltskosten hieraus beantragt und als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden solle, das Amtsgericht Coburg benannt. Der Mahnbescheid ist antragsgemäß erlassen und am 10. August 2019 der Beklagten zugestellt worden. Nach Eingang des Gesamtwiderspruchs der Beklagten hat das Amtsgericht Wedding das Verfahren an das Amtsgericht Coburg abgegeben.

In seiner Anspruchsbegründung hat der Kläger beantragt, 1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer XXX unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrags verpflichtet ist: im Tarif E1000 die Erhöhung zum 1. März 2015 um 21,24 EUR, zum 1. März 2016 um 15,34 EUR, zum 1. März 2017 um 34,97 EUR, zum 1. März 2018 um 39,63 EUR und zum 1. März 2019 um 11,25 EUR,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.866,04 EUR nebst Zinsen ... zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte

a) dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 27. Juni 2019 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat, b) die nach 3 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 27. Juni 2019 zu verzinsen hat,

4. die Beklagte zu verteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen i. H. v. 721,02 EUR freizustellen. Des Weiteren hat der Kläger beantragt, den Rechtsstreit an das "zuständige Landgericht Berlin" zu verweisen. Das Landgericht Berlin sei nach § 215 VVG zuständig, da der Kläger dort seinen Wohnsitz habe.

Das Amtsgericht Coburg hat mit Verfügung vom 22. November 2019 ausgeführt, dem Verweisungsantrag des Klägers an das "sachlich und örtlich zuständige Landgericht Berlin" sei nach derzeitiger Aktenlage stattzugeben. Die Anspruchsbegründungsschrift ist der Beklagten am 26. November 2019 zugestellt worden. Die Beklagte hat einer Verweisung an das Landgericht Berlin widersprochen. Das Amtsgericht Coburg sei örtlich zuständig, allenfalls komme bei einem Streitwert über 5.000,00 EUR eine Zuständigkeit des Landgerichts Coburg in Betracht. Der Kläger habe sein Wahlrecht durch die Angabe im Mahnbescheidsantrag und die anschließende Zustellung des Mahnbescheids bereits verbindlich und unwiderruflich ausgeübt. Tatsächlich bestehe auch eine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts. Der Feststellungsantrag Ziffer 1 habe keinen eigenen Wert, da er sich auf die vom Klageantrag Ziffer 2 umfassten Beitragserhöhungen beziehe. Im Übrigen verzichte die Beklagte auf die Rüge der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit des Amtsgerichts Coburg.

Das Amtsgericht Coburg hat sich mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 für sachlich und örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert sei aufgrund der Klageerweiterung auf insgesamt 9.008,10 EUR festzusetzen. Der Wert des Feststellungsantrags Ziffer 1 sei mit dem 3,5-fachen des Jahreserhöhungsbetrags, insgesamt mit 5.142,06 EUR zu bemessen. Der An...

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