Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das Fahrpersonalgesetz nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
Verfahrensgang
AG Schweinfurt (Urteil vom 06.04.1987) |
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 6. April 1987 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens einschließlich der dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 17.7.1986 verhängte das Gewerbeaufsichtsamt … gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 16.000 DM. Es legte ihm zur Last, als Firmeninhaber die Tätigkeit seines Disponenten nicht genügend überwacht und dadurch zugelassen zu haben, daß in der Zeit vom 18.11.1985 bis 14.12.1985 in 46 Fällen die zulässige Tageslenkzeit überschritten, in 70 Fällen die Tagesruhezeit unterschritten, in 38 Fällen die Ruhezeit verkürzt und in 11 Fällen die vorgeschriebenen Lenkzeitunterbrechungen nicht eingehalten wurden.
In der auf den zulässigen Einspruch des Betroffenen hin am 6.4.1987 durchgeführten Hauptverhandlung sprach das Amtsgericht Schweinfurt den Betroffenen frei.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Betroffenen im Ergebnis zu Recht freigesprochen.
In Übereinstimmung mit dem OLG Köln (Beschluß vom 12.6.1987 – Ss 717/86 B und Beschluß vom 12.6.1987 – DAR 1987, 294; vgl. auch Hentschel NJW 1987, 758) ist der Senat der Auffassung, daß die vor Inkrafttreten – 18.12.1986 – des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes vom 8.12.1986 begangenen Verstöße gegen die EWG-Sozialvorschriften, wie hier die Zuwiderhandlungen gegen die zulässige Tageslenkzeit und die Unterschreitungen der Mindestruhezeiten, heute nicht mehr ahndbar sind.
Die zeitliche Geltung der EWG-Sozialvorschriften in Verbindung mit dem Fahrpersonalgesetz richtet sich nach § 4 Abs. 3 OWiG und nicht nach § 4 Abs. 4 OWiG. Es handelt sich insoweit nicht um Zeitgesetze, die auf alle während ihrer Geltung begangenen Handlungen anwendbar sind, auch wenn die Bestimmungen in der Zwischenzeit außer Kraft getreten sind. Die EWG-Sozialverschriften beruhen nämlich nicht auf zeitbedingten wirtschaftlichen Verhältnissen. Wie auch die Neuregelung in der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zeigt, sollen sie nicht nur eine vorübergehende Geltungsdauer haben.
Nach § 4 Abs. 3 OWiG ist, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden. Kann die Handlung nach dem späteren Recht nicht mehr geahndet werden, so ist das spätere Recht eindeutig das mildeste (Göhler OWiG 8. Aufl. § 4 RdNr. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
§ 7a und § 7c des Gesetzes über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen (Fahrpersonalgesetz – FPersG vom 30.3.1971 in der Fassung vom 27.10.1976) sind Blankettbestimmungen. Hierunter versteht man Gesetze, in denen nur die Ahndungsvoraussetzungen sowie Art und Maß der Buße bestimmt sind, ihr Inhalt aber durch ausfüllende Vorschriften (Gesetze, Rechts Verordnungen oder Verwaltungsakte) ergänzt wird (vgl. hierzu Dreher/Tröndle StGB 43. Aufl. § 1 RdNr. 5; Göhler a.a.O. vor § 1 RdNr. 17). Bei § 7a und § 7c FPersG ergibt sich der Inhalt der Sanktionsnorm, wie aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen folgt, erst und nur in Verbindung mit den dort angeführten EWG-Sozialvorschriften.
Bei Verweisungen, wie sie in § 7a und § 7c FPersG enthalten sind, kann es sich um sogenannte statische oder dynamische handeln. Während bei der statischen Verweisung auf eine bestimmte Fassung einer Norm Bezug genommen wird, ist eine dynamische Verweisung dann gegeben, wenn nach der Norm, welche die Verweisung enthält, die Norm, auf die verwiesen wird (Verweisungsobjekt), in ihrer jeweiligen Fassung gelten soll. Bei der dynamischen Verweisung werden also auch künftige Änderungen des Verweisungsobjekts berücksichtigt; einer Änderung der Verweisungsnorm bedarf es dann nicht (vgl. hierzu BayOBLGZ 1986, 181, 182 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Bei der Verweisung in § 7a FPersG a.F. auf die zur Tatzeit geltende VO (EWG) Nr. 543/69 handelt es sich um eine sogenannte statische Verweisung. Das ergibt sich schon aus dem Charakter des Fahrpersonalgesetzes, das entgegen der Auffassung des Kammergerichts (VRS 54, 231) keine eigenständige gesetzliche Regelung darstellt, sondern Durchführungsbestimmungen zu den EWG-Sozialvorschriften enthält. So ist in der Gesetzesbegründung (BT Drucks 7/4336) auch ausdrücklich dargelegt, daß mit der Schaffung der Bußgeldtatbestände die Pflicht erfüllt wurde, das Recht der Europäischen Gemeinschaft, das in den Verordnungen (EWG) Nr. 543/69 und Nr. 1463/70 zum Ausdruck komme, durchzuführen. Dazu kommt, daß auch der Wortlaut des Fahrpersonalgesetzes für das Vorliegen einer sogenannten statischen Verweisung spricht. In dieser Regelung ist nämlich auf ganz bestim...