Leitsatz (amtlich)
›1. Noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Verstöße gegen die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in Verbindung mit den Bußgeldvorschriften des Fahrpersonalgesetzes und der Fahrpersonalverordnung betreffend die Lenk- und Ruhezeiten können seit dem 11. April 2007 nicht mehr geahndet werden, da die Verordnung an diesem Tage außer Kraft getreten und durch die Verordnung (EG) 561/2006 ersetzt worden ist, das die Bußgeldandrohung enthaltende Fahrpersonalgesetz aber der geänderten Rechtslage nicht angepasst worden ist.
2. Nach § 4 Abs. 3 OWiG findet die nicht bußgeldbewehrte Neuregelung als "mildestes Gesetz" Anwendung.‹
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Entscheidung vom 15.11.2006; Aktenzeichen 628 OWi 2108/06) |
Gründe
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Nebenbeteiligte ist freizusprechen.
Das Verfahren richtet sich ausweislich des Bußgeldbescheides und der Urteilsgründe gegen die W F GmbH und nicht gegen den Geschäftsführer A V persönlich. Insoweit ist das Rubrum des amtsgerichtlichen Urteils offensichtlich unrichtig.
Die W F GmbH ist an dem Verfahren nicht als Betroffene beteiligt, sondern als sogenannte Nebenbeteiligte, weil es sich bei ihr -in dem selbständig gegen die GmbH geführten Verfahren- um eine juristische Person handelt, die nicht Betroffene eines OWi-Verfahrens sein kann (HansOLG vom 15.04.1998 - II-35/98; OLG Stuttgart MDR 1993, 572; OLG Koblenz VRS 68, 373).
Die Rechtsbeschwerde führt zum Freispruch der Nebenbeteiligten.
a. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat gegen die Nebenbeteiligte eine Geldbuße von 420,- EURO festgesetzt.
Es hat festgestellt, dass die Nebenbeteiligte durch mangelnde Aufsicht ihres Geschäftsführers Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fahrzeiten nach dem Fahrpersonalgesetz (FPersG) in Verbindung mit der Fahrpersonalverordnung (FPersV) nicht verhindert hat (§§ 130, 30 Abs. 4 OWiG).
Die Zuwiderhandlungen lagen in einem Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 und sind vom Amtsgericht als ordnungswidrig im Sinne von § 9 Nr. 3b FPersV i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG -jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung- angesehen worden. Dazu hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Fahrer S K der Nebenbeteiligten am 6.2.2005 und am 10.2.2005 die zusammenhängende Tagesruhezeit von mindestens 9 Stunden innerhalb eines Bezugszeitraums von 24 Stunden unterschritten hat.
b. Die Verurteilung der Nebenbeteiligten hat keinen Bestand.
Die Verstöße gegen die Vorschriften über die einzuhaltenden Lenk- und Ruhezeiten sind gegenwärtig nicht bußgeldbewehrt, weil der deutsche Gesetzgeber es verabsäumt hat, das Fahrpersonalgesetz (FPersG) und die Fahrpersonalverordnung (FPersV) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 anzupassen, die die bisherige Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ersetzt hat. Die Rechtslage ist die gleiche, wie sie eingetreten war, als die Verordnung (EWG) Nr. 543/69 am 29. September 1986 durch die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 aufgehoben und ersetzt wurde und die Bußgeldandrohungen im Fahrpersonalgesetz erst mit Wirkung vom 18.12.1986 angepasst wurden (vgl. dazu HansOLG DAR 1988, 29; OLG Köln NJW 1988, 657; BayObLG NStE Nr. 1 zu § 7a FPersG).
Die dem Vorwurf gegen die Nebenbeteiligte zugrunde liegenden Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten nach den genannten Vorschriften des FPersG und der FPersV. Diese Vorschriften verweisen zur Ausfüllung des Tatbestands der Ordnungswidrigkeit auf die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85. Diese Verordnung ist durch Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vom 15. März 2006 mit Wirkung vom 11. April 2007 aufgehoben und durch die neue Verordnung ersetzt worden.
Das FPersG und die FPersV sind hingegen bisher nicht entsprechend geändert worden, so dass deren Vorschriften auf eine aufgehobene Verordnung verweisen.
Wird ein Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist nach § 4 Abs. 3 OWiG das mildeste Gesetz anzuwenden. Gleiches gilt für Blankettgesetze, wenn die ausfüllende Norm geändert wird (BGHSt 20, 177). War die Tat in der Zeit zwischen Begehung und Ahndung einmal nicht mit Geldbuße bedroht, so ist diese Zwischenregelung als mildestes Gesetz anzusehen und eine Ahndung unzulässig.
So liegt es hier.
Die Zuwiderhandlungen sind nach den Feststellungen im Februar 2005 begangen worden. Zu diesem Zeitpunkt galt die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85. Verstöße gegen diese Verordnung waren durch § 9 Nr. 3 b FPersV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1997, in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 1 b FPersG in der Fassung des Gesetzes über Begleitregelungen zur Einführung des digitalen Kontrollgeräts zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten vom 15. Mai 2004 bußgeldbewehrt. Ab 2.7.2005 fanden sich die entsprechenden Vorschriften in § 22 Abs. 1 Nr. 2 FPersV (in der Fassung der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die mit der Einführung des digitalen Kontrollgeräts zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten erforderlichen B...