Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichen vom geltenden Kostenverteilungsschlüssel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Eigentümerbeschluss, der einen einzelnen Kostenbeitrag der Wohnungseigentümer zu einer bestimmten Sanierungsmaßnahme festlegt, ist auch dann nicht nichtig, wenn die Festlegung dem geltenden Kostenverteilungsschlüssel widerspricht.

2. Ein Eigentümerbeschluss über die Kostentragung der Sanierungsmaßnahme für eine Tiefgarage ist nicht deshalb nichtig, weil er nur von den Teileigentümern der Tiefgarage gefasst wurde, obwohl das Tiefgaragengebäude gemeinschaftliches Eigentum aller Wohnungseigentümer ist.

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 23.06.2003; Aktenzeichen 2 T 6005/02)

AG Wolfratshausen (Aktenzeichen 3 UR II 21/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG München II vom 23.6.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen.

III. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.147,43 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die nach der Teilungserklärung vom 1.7.1969 aus drei Wohnblöcken mit insgesamt 74 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 36 Stellplätzen besteht. Neben den Wohnungen bildet die Tiefgarage ein eigenes Sondereigentum.

Gemäß § 12 Nr. 1b der Gemeinschaftsordnung (GO) sind die Betriebskosten von allen Wohnungseigentümern und Miteigentümern des Teileigentums (Tiefgarage) im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen.

In § 12 Nr. 2 GO ist vereinbart:

Eine Änderung der Verteilungsschlüssel für die Tragung der Kosten und Lasten kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit 3/4-Mehrheit beschlossen werden. Eine Änderung des Verteilerschlüssels zwischen Wohnungsbesitzern und Stellplatzbesitzern kann durch einstimmigen Beschluss erfolgen.

Im Übrigen enthält § 13 Nr. 1 GO zur Zuständigkeit der Eigentümerversammlung eine mit dem Gesetz (§ 23 Abs. 1 WEG) wortgleich übereinstimmende Regelung.

In der Eigentümerversammlung vom 11.11.1977 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig, ab 1.7.1978 die gesamten Kosten, sowohl die laufenden Kosten wie auch die Reparaturrücklage, für die Wohnungen und die Garagen zu trennen. Das Protokoll enthält noch den Zusatz, dass von den nicht anwesenden und nicht durch Vollmacht vertretenen Eigentümern die schriftliche Zustimmung eingeholt werde. Dies unterblieb.

Seit 1978 wird die beschlossene Kostenteilung unbeanstandet durchgeführt.

In der Eigentümerversammlung vom 26.11.1999 beschlossen die Tiefgarageneigentümer mehrheitlich, für die Sanierung der Tiefgaragendecke einen Kostenvorschuss von 4.200 DM (= 2.147,43 Euro) je Eigentümer, zahlbar bis 1.4.2000, zu erheben.

In einem weiteren Beschluss vom 17.11.2000 legten die Wohnungseigentümer fest, dass die Gesamtsanierung 2001 durchgeführt und die noch fehlenden Zahlungen von je 4.200 DM unverzüglich auf das Sonderkonto zu erbringen seien.

Beide Eigentümerbeschlüsse wurden nicht angefochten. Die Antragsgegnerin, die zu den Garageneigentümern gehört, hat bisher noch nichts bezahlt.

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung in der Eigentümerversammlung vom 13.7.2001 haben die Antragsteller am 23.8.2001 beim AG einen Mahnbescheid über einen Hauptsachebetrag von 4.200 DM zzgl. Zinsen erwirkt. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das AG am 27.9.2002 den Antrag abgewiesen. Der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das LG am 23.6.2003 stattgegeben, den Beschluss des AG aufgehoben und die Antragsgegnerin zur Zahlung verpflichtet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe beantragt.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzuweisen.

1. Das LG hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 11.11.1977 zur Kostentrennung sei nicht nichtig, sondern wirksam. Die Gemeinschaftsordnung eröffne eine Abänderungsmöglichkeit. Hiernach könne durch einstimmigen Beschluss der Eigentümerversammlung der Kostenverteilungsschlüssel abgeändert werden. Der Zustimmung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer bedürfe es hingegen nicht. Das ergebe die Auslegung der Gemeinschaftsordnung.

Zudem seien auch die Beschlüsse vom 26.11.1999 und 17.11.2000, in denen die Zahlungspflicht der Garageneigentümer mit je 4.200 DM festgelegt worden sei, nicht angefochten worden. Selbst wenn den beiden Beschlüssen ein fehlerhafter Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegen hätte, wären diese nicht als nichtig zu behandeln.

Schließlich könnte die etwaige Nichtigkeit des seit 20 Jahren praktizierten Kostenverteilungsschlüssels allenfalls Auswirkungen in der Zukunft haben, nicht jedoch für die bereits beschlossene Sanierung der Tiefgaragendeck...

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