Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe des Kindes. Bestimmung des zuständigen Gerichts

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Aktenzeichen 2 AR 31/94)

 

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Regensburg.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1, Mutter eines im Jahre 1992 in Deutschland nichtehelich geborenen Kindes, das sich angeblich seit 6.1.1994 bei dem Beteiligten zu 2 in Massachusetts (USA) befindet, hat mit Schriftsatz vom 11.11.1994 beim Vormundschaftsgericht Regensburg, in dessen Bezirk sie wohnt, „gemäß §§ 1632, Abs. 1 BGB” beantragt,

  1. im Wege der „einstweiligen Verfügung” die Herausgabe des Kindes an sie anzuordnen;
  2. ihr zu gestatten, sich zur Durchsetzung der Herausgabe der Hilfe des Gerichtsvollziehers oder sonstiger Vollzugspersonen zu bedienen sowie diese zu ermächtigen und zu beauftragen, bei der Durchsetzung Gewalt anzuwenden und die Hilfe der Vollzugspolizei heranzuziehen;
  3. festzustellen, daß die Zurückbehaltung des Kindes in den USA widerrechtlich im Sinne des deutschen Kindschaftsrechts sei.

Hierzu hat sie vorgetragen, Vater des Kindes sei der seinerzeit als Angehöriger der US-Armee in Bayern stationiert gewesene Beteiligte zu 2. Dieser sei am 6.1.1994 in die USA zurückgekehrt. Da sie beabsichtigt habe, ihn zu heiraten und in die USA überzusiedeln, habe er – mit ihrem Einverständnis – das Kind mitgenommen, um es dort bei seinen Eltern unterzubringen. Sie selbst sei im August 1994 in die USA gereist. Als sie das Kind am 24.8.1994 bei ihrer Rückreise nach Deutschland habe mitnehmen wollen, habe der Beteiligte zu 2 die Herausgabe verweigert. Seitdem bemühe sie sich um die Rückführung ihres Kindes, das in den USA widerrechtlich zurückgehalten werde.

Der Antrag diene zur Unterstützung des in den USA anhängigen Rückführungsverfahrens. Dort habe der Generalbundesanwalt als Zentrale Behörde im Sinn des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SorgeRÜbkAG) vom 5.4.1990 (BGBl I S. 701), die Rückführung des Kindes beantragt. Die Beteiligte zu 1 meint, die Entscheidung eines deutschen Gerichts über die Herausgabe des Kindes sei für das in den USA anhängige Verfahren von ausschlaggebender Bedeutung; insbesondere sei hierfür erforderlich, daß die Widerrechtlichkeit des Zurückhaltens festgestellt bzw. bestätigt werde.

Wegen der Dauer des Kindesaufenthalts in den USA sei Eile geboten.

Das Amtsgericht Regensburg – Vormundschaftsgericht – hat mit Verfügung vom 14.11.1994 den Antrag „zuständigkeitshalber” an das Familiengericht abgegeben. Es hält sich für unzuständig, da gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SorgeRÜbkAG eine Familiensache vorliege. Das Amtsgericht Regensburg – Familiengericht – hat am 17.11.1994 die Übernahme abgelehnt mit der Begründung, die beantragte Herausgabe eines nichtehelichen Kindes falle in die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts. Am 21.11.1994 hat das Vormundschaftsgericht das Familiengericht nochmals um Überprüfung der Übernahme des Verfahrens gebeten.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1, denen diese Verfügung mitgeteilt worden war, erklärten am selben Tag gegenüber dem Vormundschaftsgericht, daß der Antrag vom 11.11.1994 keinen Rückführungsantrag im Sinn des SorgeRÜbkAG enthalte.

Nachdem das Familiengericht die Übernahme des Verfahrens unter Hinweis auf § 1632 BGB „weiterhin abgelehnt” hatte, hat sich schließlich das Vormundschaftsgericht mit Beschluß vom 21.11.1994 für funktionell unzuständig erklärt und die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

Dieser Beschluß wurde der Beteiligten zu 1 sowie dem Kreisjugendamt … (Beteiligter zu 3) bekanntgegeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht im Sinn von § 36 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem Vormundschaftsgericht und dem Familiengericht des Amtsgerichts Regensburg berufen (§ 8 EGGVG, § 139 Abs. 1 GVG, § 7 EGZPO, Art. 11 Abs. 1 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1994, 91/92 m.w.Nachw.).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in sinngemäßer Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1991, 253/254; BayObLG a.a.O. m.w.Nachw.) liegen vor.

Nach dieser Vorschrift wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen mindestens eines zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Bei der sinngemäßen Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO genügt die tatsächliche und als verbindlich gewollte Kompetenzleugnung (vgl. BGHZ 104, 363/366; BayObLGZ 1994, 91/93 m.w.Nachw.), sofern sie den Verfahrensbeteiligten bekanntgemacht wurde (vgl. BGH FamRZ 1984, 37; BayObLG a.a.O. m.w.Nachw.).

Eine derartige Unzuständigkeitserklärung kann in dem Beschluß des Vormundschaftsgerichts Regensburg vom 21.11.1994 gesehen werden. Zwar fehlt die Beteiligung des Antragsgegners am Verfahren durch Mitteilung der Antragsschrift (vgl. BGH NJW 1980, ...

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