Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt. Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer nicht bindenden Verweisung (Verstoß gegen Wortlaut und Zweck der Übergangsregelung zum KindUG).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 281, 642; KindUG Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Bad Oeynhausen (Aktenzeichen 23 F 438/98) |
AG München (Aktenzeichen 542 F 6077/97) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.
Gründe
Die in Bad Oeynhausen wohnhaften Klägerinnen nehmen den im Bezirk des Amtsgerichts München wohnhaften Beklagten, ihren Vater, auf Abänderung einer 1987 geschlossenen Unterhaltsvereinbarung sowie auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch.
Die Klägerinnen haben am 13.11.1997 beim Familiengericht München eine Klageschrift eingereicht und für das Verfahren Prozeßkostenhilfe beantragt. Nachdem die Parteien im Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Familiengericht einen Vergleich geschlossen hatten, den der Beklagte am 25.2.1998 widerrief, wurde ihm gemäß Verfügung vom 17.7.1998 die Klage am 22.7.1998 zugestellt.
Im Haupttermin vom 19.8.1998 erklärte der Richter, für den Rechtsstreit sei gemäß § 642 Abs. 1 ZPO (in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung) das Amtsgericht Bad Oeynhausen ausschließlich zuständig, da erst durch die am 22.7.1998 erfolgte Klagezustellung die Rechtshängigkeit eingetreten sei. Auf Antrag der Klägerinnen, dem sich der Beklagte nicht widersetzte, erklärte sich das Amtsgericht München mit Beschluß vom 19.8.1998 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bad Oeynhausen.
Dieses lehnte mit Verfügung vom 7.9.1998 die Übernahme ab. Es hält den Verweisungsbeschluß für willkürlich und nicht bindend, da nach der Übergangsregelung zum Kindesunterhaltsgesetz nicht das Amtsgericht Bad Oeynhausen, sondern das Amtsgericht München zuständig sei. Dieses habe – wegen des überraschenden Charakters des Hinweises in der mündlichen Verhandlung – zudem das rechtliche Gehör nicht ordnungsgemäß gewährt. Die Akten wurden zurückgesandt.
Das Amtsgericht München hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen den Amtsgerichten München und Bad Oeynhausen berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO); zuerst befaßt im Sinn von § 36 Abs. 2 ZPO war das Amtsgericht München.
2. Nach den im Sinn von § 36 Abs. 1 ZPO rechtskräftigen, d.h. unanfechtbaren negativen Entscheidungen der Amtsgerichte München und Bad Oeynhausen, die jeweils ihre Zuständigkeit verneint haben, ist das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
a) An die gesetzliche Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) ist zwar auch das Gericht im Bestimmungsverfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gebunden. Im vorliegenden Fall kommt dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts München vom 19.8.1998 aber keine bindende Wirkung zu, da einer der Ausnahmefälle gegeben ist, in denen aus rechtsstaatlichen Gründen ein Verweisungsbeschluß nicht als bindend angesehen werden kann (vgl. BGHZ 102, 338/341; BGH NJW-RR 1990, 718; BayObLGZ 1986, 285/287; Zöller/Greger ZPO 20. Aufl. § 281 Rn. 17 m.w.N.).
b) Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts München, der keine Begründung enthält, ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles als objektiv willkürlich anzusehen, da er gegen den eindeutigen Wortlaut und insbesondere gegen den Zweck des Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz – KindUG) vom 6.4.1998 (BGBl I S. 666) verstößt.
aa) Gemäß § 642 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.d.F.d. KindUG, in Kraft getreten am 1.7.1998, ist für ein Verfahren, das die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber einem minderjährigen Kind betrifft, dasjenige Familiengericht örtlich zuständig, bei dem das Kind oder der Elternteil, der es vertritt, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach der Übergangsregelung des Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 KindUG, die festlegt, daß für anhängige Verfahren das vor dem 1.7.1998 geltende Verfahrensrecht maßgebend bleibt. Die am 1.7.1998 anhängigen Verfahren werden grundsätzlich nach altem Verfahrensrecht weitergeführt (vgl. Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. Vorbem. § 642 Rn. 2).
bb) Hier war das Verfahren bereits seit 13.11.1997 beim Familiengericht München anhängig. Hierauf kommt es an, nicht aber auf die erst mit Verfügung vom 17.7.1997 herbeigeführte Rechtshängigkeit durch Klagezustellung am 22.7.1998. Die gegenteilige in der Sitzungsniederschrift vom 19.8.1998 niedergelegte Auffassung widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Sie wird vom Amtsgericht München, das den Rechtsirrtum erkannt hat, auch nicht mehr aufrechterhalten, da dieses für das weitere Verfahren sich selbst, und nicht mehr das Amtsgericht Bad Oeynhausen für zuständig hält, wie der Vorlageverfügung vom 27.10.1998 zu entnehmen ist. Der Verweisungsbeschluß verstößt auch gegen den p...