Leitsatz (amtlich)
1. Die ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 642 ZPO n.F. gilt nach Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 KindUG nicht für bis zum 30.6.1998 anhängig gewordene Verfahren, welche die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber einem minderjährigen Kinde betreffen. Insoweit bleibt es bei den allgemeinen Zuständigkeitsregeln.
2. Funktionell zuständig für eine vor dem 1.7.1998 anhängig gewordene, gemäß § 23a Nr. 2 GVG in die sachliche Zuständigkeit des AG fallende Stufenklage auf Unterhalt für ein nichteheliches Kind ist nicht das FamG, sondern, mangels Anwendbarkeit des § 23b Abs. 1 Nr. 6 GVG a.F. in Verbindung mit Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 KindUG, die allgemeine Zivilprozessabteilung des AG.
3. Ein Verweisungsbeschluss, der sich über den prozessual fundamentalen Grundsatz der Perpetuatio fori gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hinwegsetzt, ist objektiv willkürlich und entfaltet keine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO.
Verfahrensgang
AG Haldensleben (Aktenzeichen 3 F 107/98) |
AG Kaufbeuren (Aktenzeichen 3 F 238/00) |
Tenor
Als örtlich und funktionell zuständiges Gericht wird das AG – Prozessgericht – Haldensleben bestimmt.
Gründe
I. Mit Klage vom 7.5.1998, eingegangen bei der Zivilprozessabteilung des AG Magdeburg am 13.5.1998, hat der seinerzeit in Landsberg am Lech wohnende Kläger den in Wolmirstedt wohnenden Beklagten, seinen nichtehelichen Vater, im Wege der Stufenklage auf Auskunft und eventuell Zahlung eines erhöhten Regelunterhalts bzw. Regelbetrages gem. § 1612a BGB n.F. in Anspruch genommen. Das Verfahren wurde am 24.6.1998 vom AG Magdeburg an das AG Wolmirstedt abgegeben, wo die Sache am 2.7.1998 anhängig und als Familiensache vom FamG übernommen wurde (Bl. 9/10 d.A.). Die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erfolgte am 28.7.1998 (Bl. 11 d.A.).
Nach Erlass eines Teil-Versäumnisurteils am 13.4.1999 (Bl. 16 d.A.) hat das AG – FamG – Wolmirstedt auf Antrag des Klägers vom 7.1.2000 (Bl. 30–32 d.A.), der, wie er zur Begründung ausführte, zwischenzeitlich, d.h. im September 1998 (Bl. 51 d.A.), nach 86807 Buchloe im Amtsgerichtsbezirk Kaufbeuren umgezogen war, sich durch Beschluss vom 14.2.2000 (Bl. 45 d.A.) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an das gem. § 642 ZPO örtlich zuständige AG 87600 Kaufbeuren verwiesen.
Das AG Kaufbeuren hat sich durch Beschluss vom 17.5.2000 (Bl. 52/53 d.A.) für unzuständig erklärt, da dem Verweisungsbeschluss keine bindende Wirkung i.S.v. § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO zukomme – denn gem. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO sei nach wie vor das AG Wolmirstedt als zuständig anzusehen –, und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG München vorgelegt.
Dessen 4. Zivilsenat hat durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16.6.2000 (Bl. 56 d.A.) den Vorgang zuständigkeitshalber gem. § 36 Abs. 2 ZPO an das OLG Naumburg abgegeben.
II. Sowohl das AG Wolmirstedt, dieses durch Verweisungsbeschluss vom 14.2.2000, als auch das AG Kaufbeuren durch Beschluss vom 17.5.2000 haben sich durch rechtskräftige Entscheidungen i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. BGH v. 5.3.1980 – IV ARZ 2/80, MDR 1980, 564 = NJW 1980, 1282, und BGHZ 71, 69 = MDR 1978, 650) für unzuständig erklärt. Da das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im vorliegenden Fall der BGH ist, war gem. § 36 Abs. 2 ZPO das zuständige Gericht durch das OLG zu bestimmen, in dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Das ist für das AG Wolmirstedt als zuerst mit der Sache befasstes Gericht das OLG Naumburg.
Als örtlich (1) und funktionell (2) zuständiges Gericht ist gem. § 36 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im vorliegenden Fall nach den vor dem 1.7.1998 geltenden Verfahrensvorschriften das AG – Prozessgericht – Haldensleben zu bestimmen, das ab 1.6.2000 infolge der gesetzlichen Neugliederung der AG im Lande Sachsen-Anhalt an die Stelle des aufgelösten, vormals zuständigen AG Wolmirstedt getreten ist (Nr. 9 der Anlage zu § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Lande Sachsen-Anhalt vom 24.8.1992, GVBl. LSA S. 652, zuletzt insoweit geändert durch Art. 1 Nr. 1 lit. b und Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Neugliederung der AG vom 17.5.2000, GVBl. LSA S. 258).
Dem gegenteiligen, als objektiv willkürlich zu qualifizierenden Verweisungsbeschluss des AG Wolmirstedt vom 14.2.2000 kommt entgegen § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO keine Bindungswirkung zu (3).
1. Örtlich zuständig für die am 13.5.1998 beim AG Magdeburg eingegangene und damit anhängig gewordene Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eines eventuell erhöhten Unterhalts für den Kläger als nichteheliches Kind des Beklagten war als Wohnsitzgericht des nach wie vor dort wohnenden Beklagten (§§ 12, 13 ZPO) das seinerzeit noch existente AG Wolmirstedt, an dessen Stelle seit dem 1.6. dieses Jahres kraft landesgesetzlicher Neugliederung der AG das AG Haldensleben getreten ist.
Nach Art. 5 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des am 1.7.1998 (gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 2 KindUG) in Kraft getretenen Kindesunterhaltsgesetzes – KindUG – v...