Leitsatz (amtlich)
Will das VormG die Unterbringung eines Betreuten über eine Dauer von vier Jahren hinaus verlängern, darf es diese Maßnahme nur dann auf das Gutachten eines bereits früher im Unterbringungsverfahren tätigen Sachverständigen stützen, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen. Zu den Anforderungen an die Begründung der Verlängerungsentscheidung in einem solchen Fall.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 07.09.2004; Aktenzeichen 4 T 3412/04) |
AG Traunstein (Aktenzeichen XVII 40/01) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG Traunstein v. 7.9.2004 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Für den Betroffenen ist seit März 2000 ein Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge.
Nach vorangegangener vorläufiger Unterbringung wurde mit Beschluss v. 13.4.2000 die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung erstmals bis 13.4.2001 vormundschaftsgerichtlich genehmigt und anschließend mehrfach verlängert. Zuletzt wurde mit Beschluss v. 30.7.2004 die Unterbringung des Betroffenen in der beschützenden Abteilung eines Pflegeheims bis 29.7.2006 genehmigt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht mit Beschluss v. 7.9.2004, dem Betroffenen zugestellt am 22.9.2004, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen v. 30.9.2004.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1.a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf das Gutachten des vom VormG beauftragten Psychiaters A gestützt. Dieser war bereits anlässlich der Entscheidung des VormG v. 5.4.2001 über die erste Verlängerung der Unterbringung als gerichtlich bestellter Gutachter tätig gewesen. Der erneuten Verlängerung der Unterbringung des Betroffenen mit vormundschaftsgerichtlichem Beschluss v. 29.1.2003 lag ein Gutachten des Psychiaters B zu Grunde.
b) In der Sache hat das Beschwerdegericht seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Der Betroffene leide, wie sich aus dem vom AG eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit Residualsymptomatik sowie einem Alkoholabhängigkeitssyndrom. Die geschlossene Unterbringung sei erforderlich, weil die Gefahr bestehe, der Betroffene werde ohne den beschützenden Rahmen der Unterbringung sofort wieder alkoholrückfällig werden mit der Folge erheblicher weiterer Schädigungen seiner Gesundheit. Diese Annahme werde durch die völlige Leugnung der Alkoholerkrankung durch den Betroffenen gestützt, der in keiner Weise krankheitseinsichtig und krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, die Tragweite seiner Handlungen zu überblicken und die Konsequenzen abzuschätzen. Da dem Betroffenen auch hinsichtlich seiner psychotischen Erkrankung jegliche Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft fehle, würde er freiwillig die notwendigen Medikamente nicht einnehmen mit den hieraus resultierenden negativen Folgen für seinen Gesundheitszustand. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass der Betroffene auf sich allein gestellt seine Körperhygiene völlig vernachlässigen und dadurch seine Gesundheit erheblich gefährden würde. Auch innerhalb der geschlossenen Unterbringung könne die notwendige Körperpflege nur mit Hilfe der in der geriatrischen Abteilung in ausreichender Zahl vorhandenen Pflegekräfte sichergestellt werden. Die geschlossene Unterbringung sei erforderlich, da Alternativen derzeit nicht ersichtlich seien. So komme insb. die Verlegung in eine offene Station oder Einrichtung nicht in Betracht, da im Hinblick auf die Krankheitsuneinsichtigkeit des Betroffenen dann eine völlige Alkoholabstinenz nicht gewährleistet sei. Die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung für weitere zwei Jahre sei angesichts der erheblichen Selbstgefährdung und der ungünstigen Prognose verhältnismäßig.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält schon aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Bei der Entscheidung über die Verlängerung einer Unterbringungsmaßnahme mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht nach § 70i Abs. 2 S. 2 FGG in der Regel keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder der Einrichtung angehört, in der der Betroffene untergebracht ist. Zweck der Regelung ist es, dass längerfristig Untergebrachte in aller Regel nach Ablauf von vier Jahren von einem neuen Sachverständigen zu begutachten sind. Es soll sichergestellt werden, dass eine Unterbringung nicht auf Grund einer fest gefügten Meinung eines Sachverständigen länger als erforderlich ausgedehnt wird (BT-Drucks. 11/4528, 186; Marschner/Volckhart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 70i FGG Rz. 7). Dem eventuellen Verdacht eines Betroffenen, die Maßnahmen gegen ihn beruhten auf Voreingenommenheit...