Leitsatz (amtlich)
1. Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstücks in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten wird nicht durch einen offensichtlichen Schreibfehler in der Zustelladresse berührt. Eine offensichtliche Unrichtigkeit, die der Berichtigung zugänglich wäre, beeinträchtigt den Beweiswert der über den Zustellvorgang erstellten Urkunde auch dann nicht, wenn eine Berichtigung unterblieben ist.
2. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist grundsätzlich dann eröffnet, wenn und soweit ein rechtswidriger Eingriff in eine fremde Rechtssphäre in Rede steht.
Normenkette
ZPO § 180 S. 2, §§ 182, 32
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 7 O 12333/22) |
LG Meiningen (Aktenzeichen 3 O 48/23) |
LG München I (Aktenzeichen 47 O 2798/23) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht München I.
Gründe
I. Mit seiner bei dem Landgericht München I erhobenen Klage fordert der in München wohnhafte Kläger von dem im Bezirk des Landgerichts Meiningen wohnhaften Beklagten die Rückgabe eines Kraftfahrzeugs Zug um Zug gegen Erstattung einer Anzahlung in Höhe von 200,00 EUR, die Feststellung des Annahmeverzugs hinsichtlich des Betrags von 200,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 11.800,00 EUR für den Fall, dass der Beklagte das Fahrzeug nicht binnen einer gerichtlich zu setzenden Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft herausgeben sollte.
Er trägt vor, er habe sein Gebrauchtfahrzeug der Marke BMW X3 mit Vertrag vom 21. Juli 2022 zum Kaufpreis von 12.000,00 EUR an den ihm langjährig bekannten Beklagten verkauft. Nach Leistung einer Anzahlung in Höhe von 200,00 EUR habe er das Fahrzeug dem Beklagten im Vertrauen auf dessen Zusage, den Restbetrag auf das Bankkonto zu überweisen, übergeben. Der Beklagte habe jedoch keine Zahlung mehr geleistet, sondern ihn, den Kläger, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vertröstet. Dies erfülle den Tatbestand des Betrugs, denn der Beklagte habe von Anfang an in der Absicht gehandelt, den restlichen Kaufpreis nicht zu zahlen. Wegen arglistiger Täuschung habe der Kläger seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung angefochten und vorsorglich den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Als Eigentümer des Fahrzeugs habe er einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. Die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Gerichts folge aus § 32 ZPO, weil im Bezirk des Landgerichts München I der Schaden eingetreten sei. Der Schadenseintritt gehöre zum Tatbestand der Rechtsgutverletzung bei Betrug; das geschädigte Vermögen sei am Wohnsitz des Klägers belegen.
In der Klage benannte der Kläger die Wohnanschrift des Beklagten in der Weise, dass er zwar die zutreffende Postleitzahl (9xxxx) angab, aber einen unzutreffenden Ort (München statt E.) hinzufügte. Die entsprechend vorausgefüllte Postzustellungsurkunde gelangte mit einem Vermerk über die Ersatzzustellung vom 21. November 2022 zur Akte. Demnach hat eine bei der Deutschen Post beschäftigte Person das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt, weil die Übergabe in der Wohnung / dem Geschäftsraum nicht möglich war.
Das Gericht teilte den Parteien unter Bezugnahme auf diese Umstände mit, es bestünden Zweifel an einer ordnungsgemäßen Klagezustellung, weil sich der Zustellungsurkunde nicht entnehmen lasse, ob die Klage in München oder in E. zugestellt worden sei. Des Weiteren äußerte es Zweifel an seiner örtlichen Zuständigkeit. Die Klageanträge 2 bis 4 (Feststellung des Annahmeverzugs, Fristsetzung zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs, Schadensersatz im Fall nicht fristgerechter Erfüllung) seien nicht deliktischer, sondern vertraglicher Natur. Da der Herausgabeanspruch in Ziffer 1 der Klage auch auf § 985 BGB gestützt werde, werde ein Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits insgesamt an das zuständige Wohnsitzgericht angeregt. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
Daraufhin beantragte der Kläger Verweisung an das Landgericht Meiningen.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2023 erklärte sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Meiningen. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Der Kläger stütze die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I auf § 32 ZPO, mache aber vertragliche Ansprüche geltend. Für diese bestehe keine Zuständigkeit des Landgerichts München I.
Das Landgericht Meiningen erteilte den Parteien den Hinweis, dass das Verfahren mangels wirksamer Zustellung noch nicht rechtshängig sei und eine Verweisung vor Rechtshängigkeit nur eine Abgabe ohne Bindungswirkung darstelle. Zudem habe das Landgericht München I das Klagebegehren in grober Weise verkannt. In erster Linie werde die Klage auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt. Mit der Anrufung des hierfür zuständigen Landgerichts München I habe der Kläger sein Wahlrecht mit bindender Wirkung ausgeübt.
Diesen Ausführungen pflichtete der Kläger bei. Der Beklagte äußerte sich nicht.
Mit Beschluss vom...