Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache. Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen sowie Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Richterablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ablehnung des Richters im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung erstreckt sich – wie auch umgekehrt – auf das zugrundeliegende Hauptsacheverfahren.

2. Entscheidet der Richter nicht sogleich über eine beantragte einstweilige Anordnung, weil er sie irrtümlich wegen fehlender Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens für unzulässig hält, begründet dies für den Antragsteller im allgemeinen nicht die Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

WEG § 44 Abs. 3; ZPO § 44 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 13 AR 15940/01)

AG München (Aktenzeichen 483 UR II 326/01 WEG)

 

Tenor

I. Die sofortigen Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 7. September 2001 (13 AR 12993/01) und vom 10. September 2001 (13 AR 15940/01) werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beschluß des Landgerichts München I vom 10. September 2001 gegenstandslos ist.

II. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerde verfahren wird auf 53.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentümer faßten in ihrer Versammlung vom 13.3.2001 verschiedene Beschlüsse. Diese focht der Antragsteller am 17.4.2001 zunächst umfassend und ohne Begründung gerichtlich an.

Am 29.6.2001 (freitags) beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf die für die beiden Folgetage angekündigten baulichen Maßnahmen den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, es den Antragsgegnern zu verbieten, auf der Gemeinschaftsfläche der Wohnanlage einen Spielplatz anzulegen und zu diesem Zweck die Wäschespinne und die Sitzgarnitur von ihrem Standort zu entfernen. Dies war Gegenstand des Beschlusses zu Tagesordnungspunkt (TOP) 10 der Eigentümer Versammlung vom 13.3.2001. In der schriftsätzlichen Begründung des Antrags fand sich u. a. der Hinweis auf die gerichtliche Anfechtung aller Eigentümerbeschlüsse vom 13.3.2001. Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts behandelte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als eigenständiges Verfahren getrennt vom Hauptsacheverfahren mit eigenem Aktenzeichen. Der zuständige Richter verfügte noch am gleichen Tag eine Mitteilung an den Antragstellervertreter, „daß der einstweilige Anordnungs-Antrag ohne Hauptsacheverfahren unzulässig ist”, und gab den Antragsgegnern Gelegenheit, innerhalb einer Woche Stellung zu nehmen. Mit Anträgen vom 12. und 18.7.2001, eingegangen beim Amtsgericht am 17. und 20.7.2001, hat der Antragsteller den Richter am Amtsgericht im Anordnungsverfahren wie im Hauptsacheverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat mit Beschlüssen vom 7.9.2001 (im Anordnungsverfahren) und vom 10.9.2001 (im Hauptsacheverfahren) die Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Gegen beide Beschlüsse richten sich die sofortigen Beschwerden des Antragstellers.

Mit Beschluß vom 22.10.2001 hat der Senat beide Verfahren verbunden.

II.

1. Die Rechtsmittel sind als sofortige Beschwerden in entsprechender Anwendung der §§ 42, 46 Abs. 2 ZPO zulässig (siehe BayObLG ZMR 2000, 117). Weil die einstweilige Anordnung nach § 44 Abs. 3 Satz 1 WEG die Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens voraussetzt (BayObLGZ 1993, 73/75), von diesem abhängig ist und mit der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung von selbst gegenstandslos wird (Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 79; Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 6; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 44 WEG Rn. 5), erstreckt sich die Ablehnung des Richters im Verfahren auf Erlaß der einstweiligen Anordnung – wie auch umgekehrt – von selbst auf das zugrundeliegende Hauptsache verfahren. Denn in Wohnungseigentumssachen stellt die einstweilige Anordnung nur einen unselbständigen Abschnitt des Hauptsacheverfahrens dar und ist mit diesem insoweit identisch.

2. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden daher aus (ständige Rechtsprechung; z. B. BayObLG WE 1998, 153; ZMR 2000, 117; NJW-RR 2001, 642).

Werden Verfahrensfehler und verzögerliche Arbeitsweise des Richters zum Gegenstand der Ablehnung gemacht, müssen Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die Fehler und Verzögerungen auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Ablehnenden oder auf Willk...

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