Entscheidungsstichwort (Thema)
Fälschung technischer Aufzeichnungen
Verfahrensgang
AG Kaufbeuren (Urteil vom 19.07.1994) |
Tenor
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Kaufbeuren – Zweigstelle Füssen – vom 19. Juli 1994 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafrichter des Amtsgerichts Kaufbeuren zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Dem Angeklagten liegt die Fälschung technischer Aufzeichungen (§ 268 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) zur Last, weil er als verantwortlicher Führer eines Lastkraftwagens durch Verbiegen des Schreibestiftes für den Geschwindigkeitsaufschrieb des im Fahrzeug eingebauten EG-Kontrollgeräts bewirkt habe, daß eine um 8 km/h niedrigere als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit aufgezeichnet wurde, und Diagrammscheiben mit so hergestellten Aufzeichnungen einem kontrollierenden Beamten vorgelegt habe.
Das Amtsgericht Kaufbeuren – Zweigstelle Füssen – hat den Angeklagten durch Urteil vom 19.7.1994 aus Rechtsgründen nur wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit der Zuwiderhandlung gegen § 7 c Abs. 1 Nr. 1 c FPersG i.V.m. Art. 13 VO (EWG) Nr. 3821/85 zu einer Geldbuße von 500 DM verurteilt.
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat offengelassen, ob das Verbiegen des Schreibstiftes auf einem vom Angeklagten oder mit seinem Wissen von einem Dritten in Täuschungsabsicht vorgenommenen Eingriff oder auf einem durch eine technische Störung veranlaßten Reparaturversuch beruhte. Es hat vielmehr angenommen, der Angeklagte könne schon deshalb nicht wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen verurteilt werden, weil das Verbiegen des Schreibestifts nur dazu geführt habe, daß sämtliche Aufzeichnungen einschließlich der (auf der Diagrammscheibe nicht markierten) Nullinie tiefer gelegen seien, als dies ohne das Verbiegen der Nadel der Fall gewesen wäre. Das Ergebnis der Aufzeichnungen sei damit nicht unrichtig geworden, sondern habe lediglich nicht den in der Diagrammscheibe vorgedruckten Geschwindigkeitslinien entsprochen. Im übrigen entfalte die Spezialvorschrift des § 7 c Abs. 1 Nr. 1 c FPersG i.V.m. Art. 13 VO (EWG) Nr. 3821/85 in bezug auf das unmittelbar geltende EG-Recht eine Sperrwirkung, durch die § 268 StGB verdrängt werde.
2. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Eine derartige Manipulation an der Schreibnadel (bzw. dem Schreibstift) stellt nicht nur einen Eingriff in den Mechanismus des aufzeichnenden Gerätes dar, der die korrekte Funktion des Geräts beeinträchtigt (vgl. BGHSt 28, 300/305), sondern führt auf diese Weise auch die inhaltliche Unrichtigkeit der Aufzeichnung herbei (BayObLGSt 1986, 33/34), weil auf dem Schaublatt jeweils eine – gemessen an einer ordnungsgemäßen Einstellung der Nadel und den hierauf abgestellten Geschwindigkeitslinien der Diagrammscheibe – zu niedrige Geschwindigkeit aufgezeichnet wird (vgl. BayObLG Beschluß vom 19.3.1991 – RReg 4 St 26/91; Urteil vom 6.3.1987 – RReg 1 St 324/86). Eine derartige Manipulation ist aber gerade der typische Fall einer das Ergebnis der Aufzeichnung beeinflussenden störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang. Daß die auf diese Weise bewirkte Unrichtigkeit der Aufzeichnung wegen der gleichzeitigen Verschiebung der Nullinie leicht zu erkennen ist und daß nach Entdeckung des Fehlers aufgrund sachverständiger Auswertung der Diagrammscheibe die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit trotz Unrichtigkeit der Aufzeichnung ermittelt werden kann, vermag hieran nichts zu ändern (vgl. BayObLGSt 1986, 33/35). Eine Beurteilung, welche den Aufzeichnungsvorgang von dem Medium, auf dem er sich verkörpert, trennt, wird der Zielrichtung des § 268 StGB, welche die Sicherheit der Informationsgewinnung durch technische Geräte verfolgt, nicht gerecht (vgl. BGHSt 40, 26/29).
Das Argument, § 7 c Abs. 1 Nr. 1 c FPersG i.V.m. Art. 13 VO (EWG) Nr. 3821/85 entfalte eine Sperrwirkung gegenüber § 268 StGB, greift nicht durch. Grundsätzlich verdrängt der Tatbestand der Straftat den der Ordnungswidrigkeit (§ 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Die ausnahmsweise Umkehrung dieses Grundsatzes tritt nur dann ein, wenn die Bußgeldvorschrift als speziellere Bestimmung zu einem Straftatbestand anzusehen ist, d.h. wenn beide Bestimmungen im Grundtatbestand übereinstimmen, der Bußgeldtatbestand jedoch besondere Umstände mildernder Art enthält (vgl. BayObLGSt 1992, 48/49 m.w.Nachw.; Göhler OWiG 11. Aufl. § 21 Rn. 7). Insoweit fehlt es im vorliegenden Fall aber schon an einer Übereinstimmung des Grundtatbestands. Die Vorschrift des § 268 StGB und die des § 7 c Abs. 1 Nr. 1 c FPersG erfassen unterschiedliche Verhaltensweisen und schützen verschiedene Rechtsgüter. Das Herbeiführen des nicht ordnungsgemäßen Funktionierens des EG-Geräts durch störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang (§ 268 StGB), d.h. durch eine Manipulation, bzw. das bewuß...