Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrug

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 10.04.1986)

 

Tenor

I. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10. April 1986 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Kosten der Revision sowie die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Tatbestand

I.

1. Das Amtsgericht München sprach den Angeklagten mit Urteil vom 7.11.1985 vom Vorwurf des Betruges frei. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde vom Landgericht München I am 10.4.1986 als unbegründet verworfen.

Die Strafkammer sah folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Angeklagte ist seit 1979 Eigentümer der Wohnung Nr. 17 kündigte er den seit dem Jahre 1955 – zuletzt gegen einen Mietzins i.H. von monatlich 500 DM – dort wohnenden Mietern … und … zum 31.1.1984 wegen Eigenbedarfs. Da die Mieter der Kündigung widersprachen, erhob der Angeklagte am 9.6.1984 zum Amtsgericht München Räumungsklage, die er auf Eigenbedarf stützte. Dazu ließ er vortragen, er habe anfangs in München zwei Blumengeschäfte betrieben. Zunächst habe er in dem einen Geschäft auch gewohnt. Diesen Laden habe er jedoch noch vor der in Rede stehenden Kündigung aufgeben müssen. Nunmehr bewohne er eine zu den Räumlichkeiten des anderen Geschäfts gehörende Kammer. Weil er auch dieses Geschäft wegen zu hohen Mietzinses aufgeben wolle, werde er „überhaupt keine Unterkunft mehr” haben. Deshalb beabsichtige er, sobald seine erwähnte Eigentumswohnung frei geworden sei, dort einzuziehen. In dem hierauf anberaumten Termin vom 27.7.1984 schlossen die durch ihre Prozeßbevollmächtigten vertretenen Parteien auf Vorschlag des Gerichts – unter gegenseitiger Einräumung der Widerrufsmöglichkeit bis 10.8.1984 – einen bedingten Vergleich, in dem sich die Mieter verpflichteten, die Eigentumswohnung bis 30.4.1985 zu räumen. Ferner wurde für den Fall ihres früheren Auszugs vereinbart: „Soweit sie dies 14 Tage vorab schriftlich anzeigen, entfällt die Mietzinszahlung ab dem dem Auszug folgenden Monat.” Der Vergleich wurde von keiner Seite widerrufen; die Mieter zogen am 4.11.1984 aus. „Im November 1984” bezog der Angeklagte eine Wohnung in … für die er monatlich 800 DM Miete bezahlt. Seine Eigentumswohnung vermietete er, ohne zuvor den ursprünglichen Mietern … davon Kenntnis gegeben zu haben, ab 1.1.1985 an drei Einzelpersonen.

Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts ist dem Angeklagten nicht zu widerlegen, daß er „vor November 1984 stets die Absicht gehabt” habe, „die Wohnung selbst zu beziehen”. Da er jedoch nicht mehr bis zum Auszug der ursprünglichen Mieter habe warten können, habe er sich die Wohnung in … gemietet. Als die Mieter … dann ausgezogen seien, habe er nicht mehr in seine Eigentumswohnung „einziehen können, weil er sonst eine Jahresmiete als Kaution verloren hätte”.

Wie sich aus dem Zusammenhang der Gründe des angefochtenen Urteils ferner ergibt, begründet die Strafkammer den Freispruch damit, daß der Angeklagte – entgegen dem ursprünglichen Vorwurf – schon bis zur Rechtswirksamkeit des Vergleichs unwiderlegbar nicht in der Absicht gehandelt habe, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Vielmehr seien die Kündigung wegen Eigenbedarfs und die darauf gestützte Räumungsklage, wie dem Angeklagten ebenfalls nicht widerlegt werden könne, jeweils zu Recht erfolgt. In der Zeit nach Eintritt der Unwiderruflichkeit des Vergleichs sei der Angeklagte jedoch zu einer Mitteilung an die ursprünglichen Mieter, „daß er die Wohnung vermietet habe”, nicht verpflichtet gewesen.

2. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung des materiellen Rechts. Die Strafkammer habe verkannt, daß sich der Angeklagte eines Betrugs durch Unterlassen schuldig gemacht habe. Als Vermieter sei er bis zum Zeitpunkt der Räumung verpflichtet gewesen, die Mieter vom nachträglichen Wegfall seines Eigenbedarfs in Kenntnis zu setzen. Deren Vermögensschaden bestehe in der Aufgabe des Besitzes einer preisgünstigen Wohnung, die der Angeklagte anschließend zu einem monatlichen Mietzins von 850 DM vermietet habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Dennoch ist der Staatsanwaltschaft in dem Sinne zuzustimmen, daß ein Sachverhalt, wie der vorliegende, die Voraussetzungen des Betrugs (§ 263 StGB) erfüllen kann.

A. So könnte der regelmäßig vorab zu prüfende (vgl. Kleinknecht/Meyer StPO 37. Aufl. § 267 RdNr. 3) äußere Tatbestand des § 263 StGB hier gegeben sein.

1. Die Staatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, daß eine Täuschungshandlung i.S. des § 263 StGB auch durch Unterlassen begangen werden kann (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW 1983, 694; LK StGB, 10. Aufl. RdNr. 18, SK StGB RdNr. 40 und Dreher/Tröndle StGB, 43. Aufl. RdNr. 12, jeweils zu § 263; Maaß in GA 1984, 264, 267). Voraussetzung dafür ist jedoch, daß der Täter die ihm mögliche Aufklärung eines anderen über eine Tatsache unterläßt, eine Garantenpflicht zur Aufklärung be...

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