Leitsatz (amtlich)
›Fährt ein Lkw-Fahrer, der seine Übermüdung erkannt hat, infolge eines Sekundenschlafs ungebremst in ein Stauende und werden dabei andere Verkehrsteilnehmer getötet und verletzt, so kann eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr nicht mit der Erwägung ausgeschlossen werden, eine derart hohe Strafe komme in der Regel nur bei Unfällen auf Grund alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit in Betracht.‹
Gründe
I.
Das Amtsgericht Ebersberg verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und zwei Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem entzog es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und verhängte eine Sperrfrist für die Wiedererteilung von 22 Monaten.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Angeklagte, der infolge Übermüdung fahruntüchtig war, mit einem Lkw die Bundesautobahn auf der Ostumgehung Münchens. In Höhe des Autobahnkreuzes München-Ost übersah er infolge eines Sekundenschlafes, dass der Verkehr auf Grund eines Unfalls zum Stehen gekommen war, und fuhr ungebremst auf den Pkw der auf der rechten Fahrspur stehenden C D auf, deren Fahrzeug unter den Lkw des Zeugen W geschoben und anschließend auf die mittlere Fahrspur geschleudert wurde. C D erlitt tödliche Verletzungen, der Zeuge W zog sich eine Prellung an der linken Hand zu, sein Beifahrer eine Prellung des rechten Knies.
Gegen diese Entscheidung erhob die Staatsanwaltschaft Berufung, in deren Begründung sie sich gegen die Bewährungsentscheidung und die Dauer der Sperrfrist wandte. Das Landgericht war der Auffassung, dass der Rechtsfolgenausspruch insgesamt zur Überprüfung stehe, und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verkürzte das Landgericht auf 15 Monate.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie ist der Auffassung, die Berufung habe sich umfassend gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, d.h. auch den Schuldspruch gerichtet, "um eine Ergänzung der Urteilsgründe hinsichtlich der Versendung von vier SMS-Nachrichten kurz vor dem Unfall und der Einlegung einer Schlafpause von ca. einer halben Stunde vor dem Unfall zu erreichen". Das Landgericht habe vor allem das Maß der Pflichtwidrigkeit des Angeklagten fehlerhaft beurteilt. Zum einen habe es zu Unrecht die Auffassung vertreten, Strafen von über einem Jahr würden in der Regel nur bei Fahrten unter Alkohol verhängt; zum anderen sei die Versendung von SMS während der Fahrt keinesfalls - wie das Landgericht argumentiert habe - mit dem Ablesen von Messinstrumenten des Armaturenbretts oder der Bedienung des Autoradios vergleichbar. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung sei rechtsfehlerhaft, weil es an der gebotenen eingehenden Prüfung fehle, ob die Rechtstreue der Bevölkerung dadurch nicht ernsthaft beeinträchtigt werde.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision hat Erfolg.
1. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob das Landgericht den Umfang seiner Kognitionspflicht verkannt hat, ergibt entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler. Das Landgericht konnte zu Recht davon ausgehen, dass der Schuldspruch nicht geprüft werden sollte. Die Berufungsbegründung befasst sich nur mit der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung. Auch die Hinweise auf die Versendung von vier SMS-Nachrichten erfolgten erkennbar in diesem Zusammenhang und nicht etwa mit dem Ziel einer Schuldspruchänderung, die von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung dann auch nicht beantragt wurde. Wenn die Staatsanwaltschaft - wie in der Anklageschrift - die Auffassung vertreten wollte, dass der Unfall auf der Ablenkung durch die Versendung von SMS beruhte, wäre konsequent die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung entfallen. Auch der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht München hat in seiner Stellungnahme zur Revision ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass der Schuldspruch mit der Berufung nicht angegriffen werden sollte. Die Ausklammerung des Schuldspruchs vom Berufungsangriff war auch rechtlich zulässig, da die Feststellungen zur Absendung der SMS ergänzend zur Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden konnten.
Im Ergebnis hat das Landgericht auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine weitere Beschränkung des Rechtsmittels innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs für unwirksam gehalten. Nicht haltbar ist insoweit indes die Auffassung des Landgerichts, die verhängte Strafe von einem Jahr sechs Monaten habe sich "nach oben von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein". Schon allein der Umstand, dass das Landgericht selbst eine Freiheitsstrafe von immerhin einem Jahr verhängt hat, lässt die angenommene D...