Leitsatz

Ist ein Miterbe mit einer Ausgleichspflicht belastet, so beginnt die Ausschlagungsfrist erst ab Kenntnis, ob der Wert seines Erbteils den ihm unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgleichspflicht zukommenden Pflichtteil übersteigt.

 

Sachverhalt

Der Erblasser und die klagende Ehefrau - beide im gesetzlichen Güterstand lebend - setzten ihre beiden Töchter durch notariellen Erbvertrag je zur Hälfte zu Erben ein. Der Klägerin war ein Nießbrauch am Wohnhaus eingeräumt. Sie begehrte nach dem Erbfall die Bewilligung der Eintragung ihres Nießbrauchsrechts. Daraufhin schlug die Bekl. zu 2), die bereits ein Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen bekommen hatte, die Erbschaft durch notarielle Erklärung aus. Gegen die gemeinsam mit ihrer Schwester erfolgte Verurteilung zur Bewilligung der Eintragung richtet sich die Berufung.

 

Entscheidung

Die Berufung der Bekl. zu 2) hat Erfolg, die Klägerin gegen sie keinen Anspruch auf Einräumung des Nießbrauchsrechts. Sie hat die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen nach §§ 1944 Abs. 1, 2306 Abs. 2 BGB. Nach §§ 1944 Abs. 2 S. 2, 2306 Abs. 1 S. 2 BGB beginnt die Ausschlagungsfrist erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von einer Beschränkung oder Beschwerung i.S.d. § 2306 Abs. 1 BGB erlangt.

Durch das im Erbvertrag zwischen dem Erblasser und der Klägerin vereinbarte Vermächtnis ist die Bekl. zu 2) als Pflichtteilsberechtigte zwar nicht nach der sog. Quotentheorie beschwert, da ihr gesetzlicher Erbteil die Pflichtteilsquote von nur einem Achtel des Nachlasses deutlich übersteigt.

Wegen der früheren Grundstücksübergabe trifft die Bekl. zu 2) eine echte Ausgleichspflicht gem. §§ 2316, 2050 Abs. 3 BGB, so dass hier die Werttheorie Anwendung findet. Danach beginnt wegen der Schwierigkeit der Berechnung des Pflichtteilswertes und des Rohwertes des Erbteils die Ausschlagungsfrist erst ab Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten, ob der Wert seines Erbteils den ihm unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausgleichspflicht zukommenden Pflichtteil übersteigt oder nicht. Diese Kenntnis war im entschiedenen Fall erst durch das im Rahmen der Beweisaufnahme vom LG eingeholte Grundstückswertgutachten vorhanden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Zweibrücken, Urteil vom 03.08.2006, 4 U 114/05

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