Leitsatz
Kann ein Ehegatte krankheitsbedingt nur einer teilschichtigen Tätigkeit nachgehen, stellt sich bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs auf Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gem. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB die Frage, ob sich dieser insgesamt aus § 1572 BGB ableitet oder der Unterhalt wegen Krankheit nur in Höhe des Einkommens aus einer vollen Erwerbstätigkeit besteht und der daneben bestehende Aufstockungsunterhalt nach § 1578 Abs. 5 BGB begrenzt werden kann.
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 29.12.1978 geheiratet. Ihre Ehe wurde am 7.2.2006 rechtskräftig geschieden. Die Antragsgegnerin war während der Ehe aus familiären Gründen insgesamt knapp 12 Jahre beurlaubt und arbeitete halbtags, der Antragsteller hingegen vollschichtig.
Aus der Ehe der Parteien waren zwei inzwischen volljährige Söhne hervorgegangen, die beide studierten. Die Antragsgegnerin bezog das staatliche Kindergeld. Zwischen den Parteien war vereinbart, dass der Antragsteller an beide Söhne je 500,00 EUR und die Antragsgegnerin je 216,00 EUR zahlt.
Die Parteien stritten primär darüber, ob die Antragsgegnerin in der Lage sei, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben. Das Amt für soziale Angelegenheiten hatte wegen einer Migräneerkrankung einen Grad der Behinderung von 50 % bescheinigt. Das erstinstanzliche Gericht hatte den Antragsteller in dem insoweit angefochtenen Scheidungsverbundurteil vom 28.10.2006 zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 655,85 EUR verurteilt und ging auf der Grundlage eines hierzu eingeholten Sachverständigengutachtens davon aus, dass von der Antragsgegnerin krankheitsbedingt eine weitergehende Tätigkeit nicht verlangt werden könne.
Beide Parteien haben gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin erwies sich als unbegründet, das Rechtsmittel des Antragstellers hatte teilweise Erfolg.
Entscheidung
Das OLG leitete aus dem Wortlaut des § 1572 BGB"solange und soweit" ab, dass im Fall einer krankheitsbedingt eingeschränkten Erwerbstätigkeit der Unterhalt wegen Krankheit nur in Höhe der Einkünfte aus einer vollschichtigen Tätigkeit bestehe und ein darüber hinausgehender Anspruch bis zur Höhe der ehelichen Lebensverhältnisse i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB als Aufstockungsunterhalt zu qualifizieren sei.
Folge dessen sei, dass nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung der Aufstockungsunterhalt begrenzt werden könne, während der Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB unbegrenzt zu gewähren sei.
In Bezug auf die Begrenzungsregelung des § 1573 Abs. 5 BGB stellte das OLG darauf ab, ob die Einkommensdifferenz zwischen den Einkünften des Unterhaltsberechtigten aus voller Erwerbstätigkeit und den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs. 1 BGB, die durch das höhere bedarfsprägende Einkommen des Unterhaltsverpflichteten bestimmt werden, auf einen ehebedingten Nachteil zurückzuführen ist oder auf der unterschiedlichen beruflichen Qualifikation der Parteien beruht.
Beruht die Einkommensdifferenz der Parteien auf deren unterschiedlicher beruflicher Qualifikation, könne der Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB auch bei einer langen Ehedauer begrenzt werden. Insoweit verwies das OLG auf die Entscheidung des BGH vom 12.4.2006 (BGH v. 12.4.2006 - XII ZR 240/03, BGHReport 2006, 1027 = MDR 2006, 1234 = FamRZ 2006, 1006 = FamRB 2006, 263).
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Urteil vom 02.11.2006, 7 UF 774/05