Leitsatz
Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Er wird von der im Restschuldbefreiungsverfahren erforderlichen Abtretungserklärung nicht erfasst.
Sachverhalt
Das Insolvenzgericht eröffnete aufgrund eines Eigenantrags das vereinfachte Insolvenzverfahren nach den §§ 304ff. InsO über das Vermögen des Schuldners. Nach dem Schlusstermin wurde das Verfahren am 18.11.2003 aufgehoben. Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren war der bisherige Treuhänder. Für 2003 hatte der Schuldner ein Einkommensteuererstattungsanspruch von 1162 EUR. Diesen teilte das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf. Den auf die Vorzeit entfallenden Betrag von 1023 EUR überwies es an die Gerichtskasse, den Restbetrag von 139 EUR an den Schuldner. Anschließend entschied das Insolvenzgericht von Amts wegen, auch der an die Gerichtskasse überwiesene Betrag komme dem Schuldner zu. Auf die Beschwerde des Treuhänders änderte das LG den Beschluss des AG und stellte fest, dass auch der Restanspruch von 1023 EUR dem Treuhänder zustehe. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde war erfolgreich.
Entscheidung
Der Steuererstattungsanspruch wird von der Abtretungserklärung, die der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner zugunsten des für ihn eingesetzten Treuhänders abgegeben muss, nicht erfasst. Er ist öffentlich-rechtlicher Natur und hat nicht den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zusteht. Der streitige Betrag unterfällt damit prinzipiell allein dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner dieses Recht über sein Vermögen zurückerlangt, soweit es nicht von der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst wird. Der Anspruch auf Steuerrückerstattung war damit zunächst aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen.
Das Insolvenzgericht hätte jedoch von Amts wegen die Anordnung einer Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 InsO prüfen müssen. Mit ihr tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein. Diese Entscheidung ist nach der Zurückverweisung nachzuholen.
Das Insolvenzverfahren erfasst nach § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Der Steuererstattungsanspruch entsteht erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Zuvor steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine gegenüber den geleisteten Vorauszahlungen niedrigere Einkommensteuer entstanden ist. Die Frage, welchem Vermögen Steuererstattungsansprüche zuzuordnen sind, richtet sich für Zwecke des Insolvenzverfahrens nicht nach Steuerrecht, sondern nach Insolvenzrecht. Maßgebend ist danach nicht der Zeitpunkt der Entstehung des Rechts, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist. Dieser Rechtsgrund ist hier bereits mit der Abführung der Lohnsteuer entstanden, die auf die Einkommensteuer anzurechnen ist. Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser in die Masse fällt, wenn der ihn begründende Sachverhalt vor der Eröffnung oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird.
Link zur Entscheidung
BGH-Beschluss vom 12.1.2006, IX ZB 239/04