Leitsatz
Die Parteien stritten um eine behördliche Vaterschaftsanfechtung nach dem am 1.6.2008 in Kraft getretenen § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB.
Sachverhalt
Die Mutter des Beklagten zu 1. reiste als serbische Staatsangehörige am 29.7.1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt 1993 eine Aufenthaltserlaubnis. Im Jahre 1997 heiratete sie einen serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen. Aus der Ehe mit ihm gingen drei Kinder hervor. Ein Asylantrag der Mutter des Beklagten zu 1. wurde im November 2002 abgelehnt. Im Jahre 2004 wurde die Ehe geschieden. Die familiäre Lebensgemeinschaft blieb gleichwohl bestehen. Im Jahre 2006 wurde der Beklagte zu 1. geboren. Am 6.3.2006 erkannte der Beklagte zu 2. vor dem Standesamt die Vaterschaft für ihn an, der damit deutscher Staatsangehöriger wurde.
Seine Mutter erhielt am 31.7.2007 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Auf ihren Verlängerungsantrag hin wurde vorübergehend eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 84 Abs. 4 AufenthG erteilt. Die endgültige Bescheidung des Antrages war von dem Ergebnis dieses Verfahrens abhängig.
Im Verfahren um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis legte die Mutter einen Vaterschaftsnachweis vom 19.7.2007 vor, wonach es als praktisch erwiesen galt, dass der Beklagte zu 2. der Vater des Beklagten zu 1. ist. Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Mutter des Beklagten zu 1. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz wurde nach Bestellung eines Ergänzungspflegers ein Abstammungsgutachten eingeholt. Diesem Gutachten zufolge war die Vaterschaft des Beklagten zu 2. ausgeschlossen.
Der Kläger trug vor, es bestehe keine sozial-familiäre Bindung der Parteien. Dies ergebe sich sowohl aus der Zeugenaussage des Beklagten zu 2. im Ermittlungsverfahren als auch aus der Tatsache, dass die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen der Mutter des Beklagten zu 1. und ihrem geschiedenen Ehemann ununterbrochen bestehe.
Mit dem angefochtenen Urteil stellte das erstinstanzliche Gericht fest, dass der Beklagte zu 2. nicht Vater des Beklagten zu 1. sei. Zur Begründung wurde aufgeführt, dass das behördliche Anfechtungsrecht auch für Vaterschaftsanerkennungen vor Inkrafttreten von § 16 Abs. 1 Nr. 5 BGB gelte. Eine sozial-familiäre Beziehung zwischen den Parteien sei nicht festzustellen. Im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer Vaterschaft des Beklagten zu 2. sei das Abstammungsgutachten vom 17.3.2008 als Beweismittel verwertbar. Der Vaterschaftsnachweis der Fa. ... vom 19.07.2007 stehe dem nicht entgegen, da sich im Strafverfahren eine Manipulation des Tests herausgestellt habe.
Gegen das erstinstanzliche Urteil wandte sich der Beklagte zu 1. mit der Berufung und vertrat die Auffassung, dass sowohl § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB als auch Art. 229 § 16 EGBGB gegen die Verfassung verstießen.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, verfahrensrechtlich habe es der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB nicht bedurft. Der Beklagte zu 1. könne gemäß § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB durch die Kindesmutter vertreten werden. § 1629 Abs. 2a BGB regele lediglich, dass die Mutter das Kind im gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB nicht vertreten dürfe. Eine Entziehung der Vertretungsmacht gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1796 BGB komme nicht in Betracht, da es an der gemäß § 1796 Abs. 2 BGB erforderlichen erheblichen Interessenkollision zwischen der vollziehbar ausreisepflichtigen Kindesmutter und dem Kind fehle.
Gegen die Annahme eines erheblichen Interessengegensatzes spreche auch, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ein Vertretungsverbot nicht normiert habe.
Den Interessen des Kindes sei hier im Übrigen dadurch Rechnung getragen worden, dass es im Verfahren der StA Osnabrück und der dort angestrengten DNA-Untersuchung durch einen Ergänzungspfleger vertreten worden sei.
Die Anfechtung der Vaterschaft richte sich gemäß Art. 19, 20 EGBGB nach deutschem Recht, weil der Beklagte zu 1. hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und zudem durch die Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 4 Abs. 1 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden sei.
Die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB lägen vor.
Der Beklagte zu 2. habe die Vaterschaft gemäß § 1592 Abs. 1 Nr. 2 BGB anerkannt. Im Anfechtungsverfahren bestehe damit eine Vermutung für die Vaterschaft, § 1600c Abs. 1 BGB.
Eine sozial-familiäre Beziehung i.S.v. § 1600 Abs. 4 BGB, die die behördliche Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB ausschließen würde, habe das erstinstanzliche Gericht mit zutreffender Begründung verneint. Eine derartige Beziehung müsse gemäß § 1600 Abs. 3 BGB entweder im Zeitpunkt der Anerkennung vorgelegen haben oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen. Sie werde dann vermutet, wenn der Vater mit der Kindesmutter verheiratet sei oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Diese Vermutung greife hier nicht ein, weil beide Voraussetzungen nicht ge...